Mein Lieblingsyogalehrer

Estefania Requena de Kusper

von Estefania Requena de Kusper

Story

Mittwoch Vormittag. Nach den gewöhnlichen Mahlzeiten des Babys in der Nacht und entsprechenden Schlafunterbrechungen überlegte ich kurz im Bett, ob ich wirklich schon bereit war, mit meinem sieben Wochen alt Zwerg mit Babyyoga anzufangen. Am Ende waren die Schmerzen im unteren Rückenbereich und mein Wunsch, sie durch Asanas (Yogaübungen) zu lindern, stärker als mein Schweinehund.

Das Baby meldete sich wieder, ich nahm ihn in meine Armen und der echte Tag begann. Der Papa war schon in die Arbeit gefahren und ich schaute auf die Uhr: eineinhalb Stunden hatten wir, dann mussten wir gleich los, sonst hätten wir den Bus verpasst, der alle 30 Minuten Richtung Liesing fährt. „Das geht sich locker aus“, dachte ich. Na ja, locker war es nicht, ich habe es aber rechtzeitig (und verschwitzt) bis zur Haltestelle geschafft.

Im Yogastudio war meine Hektik vorbei. Die Yogalehrerin hat uns herzlich begrüßt und ich nahm in einer Ecke Platz. Das Baby lag auf einem großen runden Kissen und war begeistert von der neuen Umgebung. Nach und nach kamen andere Muttis mit ihren Babys. Der Unterricht begann und es war toll zu spüren, wie mein verkrampfter Körper sich bewegte und mehrere Asanas, die ich vor der Schwangerschaft gewöhnlich machte, nach langer Zeit wieder durchführen konnte. Was für ein Gefühl!

Ich sah die anderen jungen Mütter fleißig trainieren und gleichzeitig auf das Baby/Kleinkind aufpassen. Alles schien so harmonisch und fließend, sogar mit eventuellem Babygeschrei. Mein Baby war ein braver Zuschauer und lächelte mich oft an.

Ich dachte nun an diese bedigungslose Liebe: er sieht mich jeden Tag mit großen Augen an und durch seine Strahlung verschwindet meine Müdigkeit, mindestens für einige Stunden. Er motiviert mich auf seine eigene Art und Weise, ein besserer Mensch zu werden, flexibler, geduldiger, ausgelassener und effizienter wenn nötig. Er zeigt mir täglich, wie man Schritt für Schritt neue Fähigkeiten entwickelt und wie Übung den Meister macht, wie ein gelernter Yogalehrer.

„Schaut eure Babys an, wie einfach sie ihre Füße bis zum Mund bringen. Sollten wir das auch versuchen?“ Wir alle lachten und bewunderten die kleinen Yogis im Raum. Nach dieser Yogastunde fühlte ich mich wie neugeboren und meldete mich für weitere Stunden an. Yoga half mir, das Gleichgewicht als frischgebackene Mutter zu finden. Jeder von uns sollte eine Tätigkeit oder ein Hobby haben, mit der/dem man neue Energie tanken kann und lernt, sich zu akzeptieren, wie man ist. Sowie einen Menschen an unserer Seite, der an uns glaubt und vertraut. Ja, mein kleiner Zwerg wurde von diesem Tag an mein Lieblingsyogalehrer.

© Estefania Requena de Kusper 2020-05-08