Mein Nachbar, der Bestsellerautor

Oliver Fahn

von Oliver Fahn

Story

Ein Bestsellerautor nebenan, das muss abfärben! Herr B., unsere Nachbarschaft knistert vor geistigen Verwicklungen. Schicksal klingt unsrer Nähe heraus. Hoffe ich. Werter Nachbar, Verfasser schwindelerregender Geisteskonstruktionen, wie soll ich Sie ansprechen, damit ich Ihrer Meisterhaftigkeit gerecht werde? Seien Sie nicht knausrig, die Fackel Ihrer Erfolge an mich weiterzureichen. Mein Geist ist schwach, Erfolgswille ist da. Ihres Zeichens Erfolgsgranate, frage ich Sie: Lässt sich Talent überleiten? Von Ihnen zu mir. Kann sich in zeitweiliger Fantasie, mich talentiert zu empfinden, langfristige Talentiertheit anlegen? Sie wissen, was ich meine! Ideen konservieren, die in ambitionierter Einbildungskraft entstehen. Gewohnheitskreativität etablieren, die sich aus Wollen und beharrlichem Großdenken zusammensetzt.

Herr B., Sie rauchen, also werde ich damit anfangen. Ich muss anfangen, wie Sie zu sein. Fernab der Schriftstellerei geht das. Auf welchen Transportwegen lassen sich Ihre Erfolge übergeben? Teilen Sie sie mit mir, sie reichen für uns beide.

Scheuen Sie sich nicht, meinen Hunger mit einem Stück Ihrer Erfolgstorte zu stillen. Gern eine etwas dickere Scheibe, wie sie mein Magen verträgt. Wo haben Sie Ihre Leser zusammengestohlen oder haben die sich von Anfang an darum geprügelt, Ihre Geschichten zu lesen? Dass Sie hier im Kellergeschoß sitzen, mag einer von vielen, aber nicht der allein ausschlaggebende Grund sein, dass Sie schreiben, wie Sie schreiben. Lassen Sie uns unsere Voraussetzungen auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Ich will mich aus dem Tal meiner Erfolgslosigkeit herausbugsieren. Berge erklimmen, deren Gipfelkreuze mich nie gesehen haben, Gletscher bezwingen, an denen es unmöglich ist, sich festzukrallen. Ich will, ich muss Sie überragen.

Eine von Ihren handgedrehten Zigaretten bitte. Lassen Sie uns gemeinsam rauchen. Machen Sie mir vor, wie wegwerfend Sie qualmen, ehe Sie schreiben. Ich will nicht weniger als ganz nach oben. An der Handhabung Ihrer Zigarette kann ich Ihrer Stimmung am Schreibtisch einiges entnehmen. Das wird helfen. Mir. Meinem noch ungeschriebenen Monumentalwerk. Möglicherweise. Sobald Sie mich aufstützen lassen, werde ich Sie herunterdrücken. Gleich eines Freiwasserschwimmers im Wettkampf seinen Nebenmann. Sie untertauchen, damit ich mich über Wasser halten kann. Ich bin unfairen Methoden aufgeschlossen, sofern sie taugen. Verraten Sie mir, welche Sie einsetzen. Ich straffe meine Schultern, erhebe meine Ellbogen. Verrate ich mich durch meine gezwungene Art, absichtslos zu blicken? Blitzt meinem Freundlichkeitskorsett Ruhmsucht hervor? Haben Sie mich durchschaut, ehe wir gemeinsam rauchen? Die Federn Ihres Stuhls spreizen sich, ich sehe sie bald springen. Passen Sie auf, dass er Ihnen nicht zum Schleudersitz wird. Vielen Dank Herr B., ich habe alles gesehen. Ich gehe unverrichteter Dinge. Heim, erst mal schlafen.

© Oliver Fahn 2022-03-19

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