Mein neuer Freund

Walter Weinberg

von Walter Weinberg

Story

Pater Pichler setzte Guido weit weg von mir, weil wir zu viel tratschten. Den seltsamen Dobi setzte er neben mich. Ich war nicht sehr erfreut, weil er ja immer verlangte, dass man ihn „schwul“ nennt. Zu meiner Überraschung freundete ich mich langsam mit Dobi an, und verbrachte oft meine Freizeit mit ihm. Das missfiel Guido sehr, und er wurde immer eifersĂŒchtiger.

Ende Februar kam noch einmal richtig viel Schnee, und ich war mit Guido Langlaufen. Dabei stellte mich Guido zur Rede, warum ich mich mit Dobi abgebe. Ich antwortete: „Es geht Dich nichts an!“ Darauf beschoss er mich mit SchneebĂ€llen. Als ich zurĂŒck schoss, und ihn mit meinem Schneeball hart traf, begann er hysterisch zu weinen. Sein Gesicht wurde tief rot und er schrie, dass er ab sofort nichts mehr mit mir zu tun haben will! Üblicherweise wenn Guido und ich aufeinander böse waren, schrieb einer von uns einen Zettel mit dem Satz „Sind wir wieder gut?“. Dieses Mal blieb die Versöhnung aus.

Thomas spielte stĂ€ndig Tennis, und mir blieb nur noch Dobi, um die Freizeit zu verbringen. Ich merkte bald, dass Dobi große Probleme mit seinen Klassenkollegen hatte. Sie nannten ihn „Tutl“. Dieses Wort hatten sie aus dem Lateinunterricht. Ich hatte keine Ahnung was es bedeutete. Dobi wurde oft geschlagen, zum Beispiel von Chris Almer. Mit diesem schlagwĂŒtigen Knirps hatte auch Guido schlechte Erfahrungen gemacht, weil er ihn „Alma KĂ€se“ genannt hatte. Einem aus Dobis Klasse war unsere Freundschaft zutiefst zuwider. Er forderte mich nicht nur einmal auf, Dobi in Frieden zu lassen. Ich fragte mich, was ich denn Schlimmes machte?

Vor Ostern besuchte ĂŒblicherweise ein Dachsberger Priester meine Heimat Pollham, um dort in der Kirche die Beichte abzunehmen. Diesmal kam Pater Pichler. Meine Eltern kamen von der Kirche nach Hause und berichteten, dass Pater Pichler einige seiner Lieder mit der Gitarre gespielt hatte. Meine Mutter wollte ihn zu uns nach Hause einladen, aber Pater Pichler stieg so schnell in sein Auto, sodass sie ihn nicht mehr erreichen konnte.

Ich hörte plötzlich ein Auto, dass vor unserer HaustĂŒr halt machte. Es war Pater Pichler, den man offensichtlich gar nicht einladen musste. Wir setzten uns mit ihm in die Stube. Meine Mutter bat mich ihm ein Glas Apfelsaft zu holen. Als ich in der KĂŒche war, hörte ich ihn sagen: „Walter ist sehr unintelligent!“ Mit dieser Aussage hatte Pater Pichler wirklich etwas angerichtet! Genauso wie mein Vater nahm ich es sehr ernst, dass er mich als „sehr unintelligent“ bezeichnet hatte. Papa verwendete das ab nun bei jeder Gelegenheit gegen mich: „Pater Pichler sagt eh, dass Du sehr unintelligent bist!“ Zuvor konnte ich Pichler eigentlich ganz gut leiden. Ich ĂŒberlegte, warum er mich als so unintelligent befand. Langsam hatte ich eine Vermutung: Ich erinnerte mich, dass ich bei Pater Pichler die Beichte abgelegt hatte und ihm sagte, dass ich zu Prof. Schramml frech bin, und ihn „Slimml“ nenne. Ich war anscheinend zu ehrlich zu meinem Beichtvater.

© Walter Weinberg 2020-08-16

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