von Anna Geier
Viele Findlinge gibt es im Waldviertel. Manche davon sind besonders, weil sie oben eine Art Mulde haben, die als Opferschale betrachtet werden kann. Seitlich der Mulde befindet sich eine Rinne, in der angeblich das Blut der Opfer abgeronnen ist. Dazu gibt es viele Erzählungen und Überlieferungen in Sagen und Geschichten.
Meine Mutter schimpfte immer wieder mit mir:“ Geh mit in den Wald und schau dir die Grenzen genau an. Wenn ich gestorben bin, zeigt dir niemand mehr die Begrenzungen und was machst du dann?“ Das war lästig! Ich wusste aber, dass sie recht hatte. Früher hatte jeder Bauer einige Wälder, das war eine Versicherung und Absicherung für den Fall der Fälle. Versicherungen gab es früher noch nicht und so ein Wald war ein Schatz. Meine Mutter ging mit mir öfter in den Wald, um die Grenzen abzugehen und Inventur zu machen.
1995 starb meine Mutter und 2005 mein Vater. Ab dem Zeitpunkt war klar, dass ich die Wälder verkaufen musste. Kaum jemand hatte Zeit, die Waldarbeit für mich zu verrichten. Wind, Sturm, Schnee und Eis haben auch unseren Wäldern zugesetzt. Als Waldbesitzer hat man ja die Pflicht das Totholz zu eliminieren, um weitere Schäden hintanzuhalten.
So kam es dazu, dass ich zum ersten Mal die Waldgrenzen selber suchen musste. Ich nahm meine Aufzeichnungen mit in den Wald, spazierte, ging und schaute, doch weit und breit kam mir der Wald so eigenartig vor. Mein Wald hatte sich so verändert, dass ich mich nicht mehr auskannte und so musste ich unverrichteter Dinge nach Hause gehen.
Ich hatte schon Kaufinteressenten, daher musste es schnell gehen. Am nächsten Tag fuhr ich zur Gemeinde und ließ mir die Katasterblätter meiner Wälder ausdrucken, samt den Namen der Nachbarn. Dann fuhr ich wieder zurück in den Wald.
Fluchend ging ich auf und ab und hin und her. Da fiel mir der Opferstein ein. Wo war der zu finden? Meine Mutter meinte, dass der in der Keltenzeit verwendet wurde. Das war doch ein Anhaltspunkt bei meiner verzweifelten Suche. Stundenlang irrte ich schwitzend herum, immer mit Blick auf die Auszüge und meine Aufzeichnungen. Tatsächlich fand ich den Opferstein und hatte damit einen Anhaltspunkt, um meine Grenzen endlich selber zu finden.
Ich musste doch mit den Käufern schnellstens die Grenzen abgehen, damit sie mit den Nachbarn nicht in Konflikt gerieten. Grenzstreitigkeiten gab es immer wieder , wie mir meine Mutter erzählte.
Dieser besondere Stein war meine Rettung, doch ich musste ihn mitverkaufen. Das tat mir leid.
© Anna Geier 2020-01-05