Mein Saxophon

Gernot Blieberger

von Gernot Blieberger

Story

Sanft geschwungener Bogen, schimmernd in goldenem Messingglanz. Ich nehme dich in meine Hände, hänge dich am Ring in den Karabiner des Gurts und fühle dein Gewicht. Aber es lastet nicht schwer auf mir. Ich hebe dich an, ich befeuchte das Rohrblatt, meine Lippen umschließen das Mundstück, ich hole tief Atem, fülle meine Lungen mit Luft, baue Spannung auf, konzentriere mich auf den ersten Ton. Ich drücke mehrmals die die Klappen durch, höre das dumpfe Ploppen, das leise Klappern der Mechanik, wenn die Polster schließen. Ich lasse den Luftstrom aus mir herausgleiten, fühle das Vibrieren, wenn das tiefe C ertönt, sich die Schallwellen vom Blatt auf die Luftsäule und auf den ganzen Raum übertragen, manchmal langsam und zaghaft, dann wieder in seinem vollen Volumen. Ich greife weiter die Tonleiter durch, spiele die Achtel in einem Legatobogen, dann nochmals, einzeln angestoßen mit der Zunge, ein Stakkato von Ton zu Ton. Pianissimo, forte, langsam, schneller, Ganztöne, Achtel, Triolen in verschiedensten Varianten, straight und swingend. Die Wärme meines Atems überträgt sich auf das Blech, tief drinnen im Bauch meines Saxophons sammelt sich Feuchte. Mittlerweile bin ich von den Aufwärmübungen übergegangen zu den ersten Liedern, picke einzelne Passagen heraus, die noch nicht so flüssig laufen, setze sie zusammen, freue mich über endlich gelungene Stellen. Die Finger huschen endlich automatisch von Griff zu Griff, die Achtel- und Sechzehntelläufe gelingen. Ich wechsle von Pop zu Jazz, von Klassik zu Filmmusik, spiele mich in einen Flow, bis ich die Müdigkeit der Lippen zu spüren beginne, der Ansatz schwindet, Notenhöhen ungenau werden, ich immer wieder zwischendurch einmal absetzen muss. Zeit, die Übungssession zu beenden, einmal durchzublasen, die angestrengten Muskeln zu lockeren. Ich setze das Saxophon ab, zerlege es, putze es es und stelle es in den Ständer, wo es wartet, bis ich es morgen wieder nehme und übe und spiele und genieße und Freude an der Musik habe. Ich liebe mein Instrument, ich liebe mein Saxophon. Was gibt es Schöneres, als den Alltag hinter sich zu lassen beim Musizieren!

© Gernot Blieberger 2022-11-21

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