von Georg Hetzenauer
Mein erster und gleichzeitig schlimmste Flug fand nach der Feier zum fünfzigsten Geburtstag meines Schwagers statt. Zu später Stunde kamen der bekannten Transportunternehmer Hans Berger und ich auf die Idee, am nächsten Tag Kufstein von oben zu besichtigen. Er hatte ein Kleinflugzeug mit besonders starkem Motor, mit dem er viele Jahre später tödlich abstürzen sollte. Wir vereinbarten, uns um 10 Uhr am Flugfeld zu treffen. Er verspätete sich eine Stunde und entschuldigte dies mit dem Ende der Geburtstagsfeier im Morgengrauen. Ich stieg umständlich ein, das war mein erster Flug. Vor dem Start meldete Hans den Flug und ging eine Checkliste durch. Die Beschleunigung beeindruckte mich sehr und unmittelbar nach dem Start zog Hans das Flugzeug in engem Bogen nach rechts, sodass ich beinahe fürchtete, durch die Glaskabine seitlich aus dem Cockpit zu fallen. Er erklärte mir, wie sein – damals noch lange nicht in allen Kleinflugzeugen eingebautes – Navigationsgerät funktioniert, gab München Riem als Zielflughafen ein und sofort schraubte sich die Maschine selbstständig empor. Nachdem wir höher als die umliegenden Bergen angestiegen waren, zog die Maschine eine leichte Kurve nach Norden und flog schnurgerade Richtung München. Das war aber nicht unser Ziel, daher drehte Hans bald bei und flog über den Kufsteiner Hausberg namens Pendling. Dort angekommen, ließ er die Maschine jäh nach vorne abkippen und wir stürzten mit zunehmender Geschwindigkeit die senkrechte Felswand entlang hinab. Der Stimmersee kam rasend schnell auf uns zu. Etwa auf halber Höhe der Wand angekommen, rief Hans: „Jetzt zeige ich dir, wie ein Formel-1 Auto beschleunigt“. Dabei zog er den Steuerknüppel an, die Fliehkraft presste mich mit unvorstellbarer Gewalt in den Sitz und stauchte mich zusammen. Natürlich wusste ich, dass sein Sohn bei Ferrari einen Formel I Boliden fuhr, aber musste er mir das auf so halsbrecherische Weise demonstrieren? Für mich war das übertrieben. Kaum hatte sich meine Übelkeit vom Sturzflug gelegt, da zog er die Maschine empor und wir gingen in einen fast senkrechten Steigflug über. Scheu blickte ich aus dem Fenster, bekam das bange Gefühl, das Flugzeug wird immer langsamer und stellte mir die Frage, wie leicht so eine Kiste abstürzte und ob dieser Flug wirklich notwendig gewesen ist. Jetzt in einem Kaffeehaus sitzen und in aller Ruhe einen Cappuccino mit einem Vanillekipferl zu mir nehmen, stellte ich mir als verlockende Alternative vor. Da, endlich kippte die Maschine in eine normale Fluglage und wir sahen nun die Bergwelt um Kufstein, den Wilden Kaiser mit Scheffauer, Treffauer, Ellmauer Halt und dem Totenkirchl. Den Zahme Kaiser mit etwas gemäßigteren Formen erblickten wir ebenfalls, auch er eindrucksvoll. Wir leben wirklich in einem Paradies. Wenn nur ein anderer Pilot am Steuerknüppel sitzen würde. Einer, der das ungute Gefühl von Flugneulingen verstehen kann.
© Georg Hetzenauer 2022-07-22