Mein Schulkind

Es wirkt für mich wie eine surreale Zeitreise wenn ich durch die Fotos der letzten 6 Jahre scrolle. Mir wird ganz schwer ums Herz und ich frage mich wann verdammt du so groß geworden bist. Lange Zeit warst du zu klein für vieles, das ich schon ersehnt habe und mit dir machen wollte. Nun ist vieles für dich schon wieder Kleinkindkram und ich habe Angst, dass ich etwas verpasst habe. Dazwischen liegen eine Pandemie, ein Umzug, eine Hochzeit und die Geburt deines Bruders. 

Vor allem Letztere war ein großer Einschnitt und auch sehr prägend für unsere Beziehung. Über Nacht warst du für mich die Große. Niemand bereitet einen darauf vor, dass sich auch Gefühle zum eigenen ersten Kind verändern können. Wir hatten seither auch harte Zeiten miteinander. Das war neu für mich. Viel Kranksein von Valentin haben meine Zeit und Ressourcen gebunden. Ich weiß, dass du manchmal ebenfalls mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit gebraucht hättest. Ich habe jeden Tag mein Bestes gegeben und doch sehenden Auges feststellen müssen, dass es nicht immer möglich war, deine Bedürfnisse zu erfüllen. Du vollbringst es nach wie vor, wie keine andere, meine roten Knöpfe zu drücken. Und auch wenn ich das meist für verzichtbar erachte, möchte ich dir danken, dass du mich dabei lernen, wachsen und entwickeln lässt. 

Und ganz nebenbei bist du zwei Jahre älter geworden. Du bist jetzt schon ein richtiges Mädchen und wie jede Mutter habe ich gemischte Gefühle dazu. Im Alltag oft zu wenig ausgesprochen möchte ich dich ein paar Dinge wissen lassen: 

Du sollst wissen, dass ich fast vor Stolz platze, wenn ich dich beobachte, wie du dich entwickelt hast. Wieviele kleine Schritte und große Sprünge du gegangen bist, wie mutig du deine Komfortzone verlässt und für dich sorgst. Du sollst wissen, dass mir das Herz übergeht, wenn ich sehe, wie du glücklich bist, wie begeisterungsfähig und dir voller Neugier die Welt eroberst. Du sollst wissen, dass es mich freut zu sehen, wie sozial, klug und hilfsbereit du bist, wie selbstverständlich du mittlerweile auf andere zugehst und von dir aus kommunizierst. Du sollst wissen, dass ich oft sprachlos bin, wenn ich höre, wie präzise du Dinge auf den Punkt bringen kannst. Du sollst wissen, dass es mich mit Glück erfüllt zu sehen, dass du eigene Interessen entwickelst und dich nicht bremsen lässt. Du sollst wissen, dass ich ganz oft laut loslachen möchte, wenn du wieder ein neues Wort für etwas erfindest oder eine Beobachtung mit mir teilst. Du sollst wissen, dass ich dich immer noch so gerne beobachte, wenn du schläfst.

Du hast dein Herz am richtigen Fleck. Du wirst deinen Weg gehen, das weiß ich. Und ich begleite und unterstütze dich dabei. Solange du das willst. Ich möchte dir in allen Lebenslagen und Phasen deines Lebens eine gute Mutter sein.

Morgen kommst du also in die Schule. Es wird hart sein, wenn du die Schultüre von innen schließt und ich draußen bleiben muss. Vielleicht werde ich kurz eine Träne verdrücken. Aber dann werde ich nach Hause gehen und lächeln, weil ich weiß, dass alles in dir liegt, was du brauchst, um gut zurechtzukommen.