Ein Fakt, den wahrscheinlich nur wenige wissen ist, dass nur in Rumänien jährlich mehr Personen durch Bären getötet werden, als Menschen durch Haie weltweit! Zur Verteidigung beider Spezies sei allerdings auch erwähnt, dass sich diese Zahlen im einstelligen Bereich bewegen. Auch liegt es in den meisten Fällen daran, dass Haie Schwimmer oder Surfer mit Robben verwechseln und im Falle der Bären Idioten den pelzigen Wesen einfach zu nahe kommen. Von einem solchen Idioten handelt diese Story – nämlich von mir!
Seit 15 Jahren bin ich Motorrad-Reiseleiter in Rumänien und führe Leute auf ihren Bikes durchs Land. Besonders die Menge an Tieren, die wir immer zu sehen bekommen, begeistert mich noch jedes Jahr aufs Neue. Pelikane, Störche, wilde Esel und manch andere Geschöpfe sind immer stetige Wegbegleiter, Bären hielten sich jedoch zumindest von mir immer gut versteckt. Vor einigen Jahren gelang einem Mitreisenden ein tolles Foto eines Bären der friedlich am Straßenrand hockte und Dinge mampfte, die Touristen aus ihren Autos warfen. Tiere sind lernfähig. So wie wilde Esel das Schnorren nach Äpfeln von vorbeifahrenden Touristen gelernt haben, lockte dieser Brauch langsam auch Bären aus dem Dickicht. Mein Fotoalbum ist voll mit Bildern, auf denen ich mit allerlei Tieren zu sehen bin, aber wie erwähnt, dieses fehlte.
Als ich mich 2019 wieder auf dem berühmten Transfagaras-Pass befand, traute ich deshalb meinen Augen kaum. Hinter einer Kurve saß tatsächlich ein Bär am Straßenrand, eifrig beschäftigt mit dem Verzehr eines Haufen Äpfel. Er würdigte mich und die Maschine des Bikers hinter mir keines Blickes. Tja, und nun überkam mich wohl eine der dümmsten Ideen, die ich je hatte. Zuerst blieb ich nur in sicherer Entfernung stehen, schaltete den Motor ab und machte ein paar Fotos. Der Bär war weiterhin völlig unbeeindruckt und stopfte Äpfel in sich hinein. „So ein Bild mit Bär, das wär schon was für meine Sammlung!“, überkam es mich in diesem Augenblick geistiger Verwirrtheit. Also stieg ich ab, drückte meinem Kollegen mein Handy in die Hand, ging wenige Schritte auf den Bär zu und bat ihn, uns zu fotografieren.
Meinen Rücken dem Bär zugewandt stand ich nun und er meinte: „Ein wenig zurück, du bist zu groß und er noch zu klein, man sieht ihn kaum!“ Also ging ich rücklings ein paar Schritte. „Noch ein wenig mehr!“ Also machte ich noch ein paar. Auf einmal bekam mein Begleiter riesige Augen und rannte wie irr davon. Ich konnte mir in dem Augenblick schon vorstellen warum, drehte mich noch kurz um und sah, wie Meister Petz auf uns zurannte. Also rannte auch ich Hals über Kopf die Straße runter und dann geschah das Glück, das ich im Leben garantiert nicht noch einmal herausfordern werde. Der Bär drehte sich um, trottete zurück und widmete sich wieder seinen Äpfeln. Wir sprangen auf unsere Maschinen und brausten davon.
Auch dieses Jahr konnte ich wieder zwei Bären sehen. Ich hab sie sitzend auf meinem Bike mit laufendem Motor fotografiert.
© Anton Dobrowsky-Ziegelmayer 2020-12-01