von Klaus Schedler
Eine Geschichte in 60 Sekunden? Das schaff ich nie! Doch es stimmte: 40 Jahre nach der erstmaligen Markteinführung der CD 1982 wurden die Radiohörer in Österreich 1 eingeladen, es zu versuchen. Ich hab’s nicht geschafft, obwohl mir die erste CD eigentlich zugeflogen war.
Ich war seit meiner Jugend nämlich „auf Schallplatte“. Und meine erste eigene LP hatte ich mir 1966 vom Taschengeld gekauft: Händels Wassermusik-Suite und seine Feuerwerksmusik geleitet vom ganz jungen Lorin Maazel, der das RSO in Berlin übernommen hatte und nun für frische Luft im Konzertbetrieb sorgte. Natürlich war ich damals auch mit den Beatles, den Stones etc. unterwegs, doch die hörte ich ohnehin im Radio. Für Klassik aber brauchte ich den Plattenspieler der Eltern und eigene LPs.
Die Sammlung wuchs rasch an. Im mittlerweile eigenen Haushalt gab es selbstverständlich einen Plattenspieler und einen Schub gab es, als ich mit dem Rauchen aufgehört hatte und damals die „Schallplatten Wiege“ (Inhaber Eldon Walli) am Graben im Zuge der Umstellung auf CDs mehr und mehr Schallplatten über die „Wühlkiste“ verschleuderte. Kompensatorisch entschädigte ich mich für den Rauchverzicht mit der Anschaffung von Schallplatten.
Freilich kann ich mich auch an meine erste CD erinnern: Das Neujahrskonzert 91 mit Claudio Abado. Ein Geschenk von meiner Assistentin. Passend zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgschaft. Die Geschenkübergabe war jedoch vollkommen ins Wasser gefallen. Dabei hatten wir uns diesen 30. April ganz anders vorgestellt. Dann aber überschlugen sich die Ereignisse.
Ich sollte am 2. Mai bei einer internationalen Konferenz in Berlin die Position der österreichischen Forschung in meinem Fach vertreten. Ich plante die Reise mit der Bahn und morgen, am Maifeiertag, sollte es losgehen. Heute aber sollte ich zuvor die österreichische Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommen.
Am Vormittag hatte ich noch im Institut im ersten Bezirk gearbeitet. Nun machte ich mich allein auf den Weg zum Rathaus. Alles lief prima, ich sprach die Gelöbnisformel und dann wurde mein deutscher Reisepass eingezogen.
Uiii!! Vollkommen unerwartet stand ich ohne Reisedokument da. Dabei wollte ich morgen nach Berlin. Dazu aber braucht man doch einen Pass! Für diesen war bei mir nun seit wenigen Minuten das Bezirkskommissariat Liesing zuständig. Im Rathaus zeigte man Verständnis für meine Notlage und setzte telefonisch alle Hebel in Bewegung, um mir noch vor dem Feiertag das erforderliche Reisedokument zu besorgen. Ich sagte alle Termine ab, besorgte mir Passfotos und düste nach Liesing.
Als ich endlich, glücklich und erfolgreich wieder im Institut eintraf, waren alle schon heimgegangen. Meine Assistentin hat mir die CD mit dem Neujahrskonzert mit einer Widmung auf den Schreibtisch gelegt. „Alles Gute dem Neo-Österreicher“ stand drauf.
Und das alles sollte ich für’s Radio in einer Minute erzählen? Also dafür ist mir die Erinnerung zu wertvoll.
© Klaus Schedler 2022-04-21