von Steffen Schulze
Die Stufen hoch zum Eingang der Schenke waren ausgetreten. Die Tür stand offen und Pepe trat ein. Vier Köpfe drehten sich herum. Die Männer schauten ihn nur kurz an, kehrten dann zu ihrem Gespräch zurück. Hinter dem Zapfhahn stand eine junge Frau und strahlte ihn an. »Hallo, wer bist du denn?« Pepe stutzte. Er war es nicht gewohnt, sofort geduzt zu werden. »Oberfeldwebel Pepe Fuchs«, antwortete er knapp.
»Na, das macht ja nichts. Ich bin die Lola. Was möchtest du denn?«
Es hätte nur noch gefehlt, dass sie Kleiner angefügt hätte. Sie schaute ihn mit einem leicht spöttischen Grinsen an und musterte ihn unverhohlen. Mit seinen knapp eins sechzig, der Glatze und Oberarmen, die dicker als ihre Schenkel waren, entsprach er sicherlich nicht ihrer Vorstellung eines Gardesoldaten. Lola dagegen war ein Hingucker. Vielleicht fünfzehn Zentimeter größer als er. Ihr schwarzer Rollkragenpullover lag eng an ihrem strammen Oberkörper an. Der Pulli steckte in engen blauen Jeans. Sie war ein hübsches Ding und wusste das auch. »Ein Wasser«, bestellte Pepe endlich. »Und eine Auskunft.«
»Wasser. Da bin ich gar nicht sicher, ob wir das haben«, antwortete Lola und bückte sich tief unter den Tresen. Sie fand eine verstaubte Flasche und wischte mit dem Ärmel über das Etikett. »Oh, abgelaufen. Schon letztes Jahr.«
»Dann nur die Auskunft. Ich suche Lars Richter.«
»Kenn ich nicht«, antwortete Lola zu schnell. Und auch die Gespräche am Tisch hinter ihnen verstummten schlagartig. Stühle kratzten geräuschvoll über den Dielenboden. »Was willste denn vom Lars?« Pepe drehte sich langsam um. Der Sprecher der Vierergruppe war groß und kräftig. Seine drei Begleiter waren nicht viel kleiner oder leichter. »Ich möchte nur mit ihm reden«, antwortete Pepe und lockerte seine Schultern. »Und wenn der nicht will?«, gab der Große zurück. Er stand jetzt so nah vor Pepe, dass der seinen Alkoholatem riechen konnte. »Das würde ich gern von ihm selbst hören.«
»Der Lars ist nicht hier. Und zu Hause, bei seiner Schwester, ist er auch nicht!«, rief einer der anderen schrill.
»Halt doch die Backen, du Storch!«, schnauzte ihn daraufhin der Große an. Dann stieß er Pepe mit beiden Händen vor die Brust, sodass der rückwärts gegen die Theke prallte. »Ich denke, du solltest dich jetzt besser verpissen!« Der Große holte zu einem Faustschlag aus. Pepe tauchte unter seinem Arm durch, packte die linke Hand, riss den Arm zurück, griff sich seine Schulter von hinten und ließ den Kopf des Großen mit Wucht auf die Theke knallen. Eine Reihe frisch gespülter Biergläser fiel um. Lola schrie auf. Die anderen drei glotzten ungläubig. »Wenn ihr auch nur einen Schritt näherkommt, kugele ich ihm die Schulter aus«, drohte Pepe leise und verstärkte den Druck auf die Schulter. »Lola, ruf einen Krankenwagen! Besser zwei oder drei.«
© Steffen Schulze 2022-10-15