von Eva Filice
Der Tag, an dem mein Klavier zu mir nach Hause kam, war ein besonderer Tag, ein Traumtag!
Papa begleitete den Nachbarn, der sein GemĂŒse mit einem Lieferwagen nach Wien brachte. Auf dem Heimweg nahmen sie das Klavier mit. Ich konnte den Moment der Ankunft kaum erwarten. Ich schaute mehrmals beim Fenster raus, lief auf die StraĂe und hielt Ausschau nach dem Lieferwagen, der mein Klavier bringen sollte. Ratschenbuben gingen lĂ€rmend durchs Dorf. Sie kĂŒndigten mit einem Spruch die Kreuzwegandacht fĂŒr drei Uhr am Nachmittag an. Omama trat aus der KĂŒche und sagte: âNa so was, ein Klavier auf unserem Bauernhof. Das hat es hier noch nicht gegeben! Und Lehrerin willst auch noch werden! Keine BĂ€uerin?â Sie schĂŒttelte verwundert den Kopf und gleichzeitig lĂ€chelte sie liebevoll. âIch spiel dir gleich etwas vor, sobald das Klavier im Wohnzimmer steht!â, versprach ich voll Erwartung auf meinen ersten Auftritt zu Hause. In diesem Moment betrat meine Mama den Raum, mit ruhiger Stimme meinte sie bedauernd: âAber heute darfst du nicht spielen, das geht leider nicht.â Ich war sprachlos. âIch freu mich doch so auf das Klavier, auf mein Klavier!â âVergiss nichtâ, bedauerte Mama, âheute ist Karfreitag. Das ist ein Trauertag, da darf keine Musik gemacht werden. Sogar die Kirchenglocken flogen gestern nach Rom und kommen morgen bei der Auferstehungsfeier zurĂŒck.â
Da fiel mir ein, dass am Karfreitag auch das Radio nicht aufgedreht werden durfte. Sogar Papa hielt sich daran. Wo sich der wohl jetzt befindet? In diesem Moment kam ein Auto in unseren Hof gefahren. Endlich, sie sind da! Mein Klavier ist da! âHeute ist ein groĂer Tag fĂŒr dich, auch fĂŒr uns!â, begrĂŒĂte mich Papa, als er aus dem Auto stieg. Ich suchte angespannt das Klavier. âDein Klavier ist in Decken gehĂŒllt, damit es keinen Schnupfen bekommtâ, scherzte mein Onkel, der beim Transport mithalf.
Erst wurden die drei KlavierfĂŒĂe ins Haus gebracht, dann kam die Schwerarbeit. Das Klavier wurde vorsichtig vom Wagen gehoben und unter Ăchzen und Seufzen der MĂ€nner schlieĂlich ins Wohnzimmer transportiert.
Endlich stand mein ersehntes Klavier, ein StutzflĂŒgel, an dem Platz, den ich mir vorgestellt hatte. Ich berĂŒhrte es vorsichtig. Das schwarz lackierte Holz fĂŒhlte sich zart und glatt an. âJetzt gehört es dir, nun hast du endlich ein eigenes Klavierâ, sagte Papa sichtlich gerĂŒhrt und erfreut. „Du kannst ĂŒben, so oft du willstâ, ergĂ€nzte meine Mama lĂ€chelnd, neben der meine kleine Schwester mit groĂen Augen die Szene verfolgte. Omama stand fassungslos im TĂŒrrahmen: âNa, dass ich das erlebe!â Sogar Otata war aus dem Garten gekommen und bestaunte wortlos die Neuerwerbung.
Ich öffnete behutsam den Tastendeckel und die weiĂen Tasten blitzten mich an. Auf der Innenseite des Deckels stand in glĂ€nzenden Buchstaben aus Perlmutt der Name der Klavierfirma. Meine Finger berĂŒhrten die weiĂen und die schwarzen Tasten. âSpiel uns etwas vor!â, forderte mich mein Onkel lĂ€chelnd auf.
Ein Klavier auf dem Bauernhof? Ein Bauer mit einem Klavier! Gab es da vielleicht Neider? So kam Papa zum Spitznamen „Klavier-Bauer“.
© Eva Filice 2021-11-01