Ich heiße Luca und stelle mich erst mal vor.
Ich bin nämlich dein Verwandter – wenn man so will – also ein Teil deiner Ur(-x ) Großeltern. Das waren nicht – muss dich enttäuschen – Adam und Eva.
Wie ich sehe, hast du dich ganz schön entwickelt – nein, ich meine nicht Wohlstand, Haus, Auto – das interessiert mich nicht. Ich meine deine körperliche Beschaffenheit: Du bist ein ansehnlicher Haufen unterschiedlicher Zellen, die deinen Körper kompakt zusammenhalten.
Wer hätte das gedacht?
Ich kam früh auf die Welt. Als Einzeller, da war die Erde noch in den Kinderschuhen: 300 Mio. Jahre alt. Wäre Mutter Erde heute 48 Jahre alt – entsprechend 4,8 Mrd. Jahre – war sie 3 Monate, als sie mich bekam. Echt frühreif!
Ich war mikroskopisch klein – zu klein, als dass es von mir Fossilien gibt. Und was es von mir mal gab, ist durch die Erdplattenverschiebung ins Erdinnere (Subduktion) gerutscht.
Luca? Mein Name bedeutet: Last universal common ancestor. Ganz lebendig war ich nie, aber auch nie ganz tot. Ich lebte wie eure Viren in einem Zwischenstadium, einer Zombiezone, konnte mich an die wechselnde Umwelt anpassen und durchlief alle evolutionäre Entwicklungen.
Ich wundere mich über deine weichen Zellwände – meine bestanden aus vulkanischem porösem Gestein! Stell dir das mal vor! Frei leben – so wie du – kannte ich nicht – ich hatte als Struktur ein steiniges Zell-Labyrinth mit Wänden aus Schwefel, Eisen und Nickel.
Sag nichts! Ohne Feinde fühlte ich mich in Tiefseeschloten an warmen Vulkanrändern richtig wohl.
In mir waren schon erste RNA-Genome eingelagert. So konnte ich mich besser replizieren als einfache chemische Substanzen. Dadurch klappte es bei mir auch mit der Evolution schneller.
Mein Leben begann also in porösem Gestein, der erzeugte komplexe Moleküle (Proteinen und DNA). Für die Energie bastelte ich mir eine Batterie: Die Tiefseeschlote waren ja alkalisch (wie Seife – Überschuss an Elektronen), die Aminoteile in meiner Zelle waren sauer (Mangel an Elektronen). Dieser winzige Unterschied zwischen Innen- und Außenleben war mein Akku. Der trieb den Stoffwechsel an.
Dieses ATP-Molekül (Adenin-TRI-phosphat), das in deinen Zellen heute für den Energietransport zuständig ist – pah (!) – gib nicht so an – hatte ich schon längst. Meine Kinder haben damit sogar experimentiert.
Ich war doch an Steinen festgetackert. Meine Kinder wollten aber weg von mir. Kann man verstehen. Sie strickten sich aus Molekülen bewegliche Zellwände (Phospholipid-Schichten). Schon waren die Gören frei. Dann schraubten sie ihre Aminosäuren zu Molekülketten zusammen und nannten dies Enzyme (kennst du ja). Damit zerstückelten sie ihr ATP in ADP (Adenosin-DI-phospaht). Das pumpten sie ins Zelläußere und ließen dort das ADP mit Nahrungsmolekülen wieder zu ATP aufladen. Dann holten sie sich das ATP zurück, vernaschten die Nahrungsmoleküle, aus ATP wurde wieder ADP. Das pumpten sie wieder raus – usw.
Fertig war ihr Akku – ihr eigenes Elektrizitätswerk.
© Heinz-Dieter Brandt 2021-09-23