von TomTom
Nach dem Ende meiner Schulzeit stand ich vor der großen Frage: „Was jetzt?“ Meine Noten ließen keine großen Sprünge zu, und die Traumkarrieren, die mir vorschwebten – allen voran Polizist oder Bundesgrenzschützer – blieben aufgrund meiner schulischen Leistungen außer Reichweite. Also suchte ich nach einer Alternative und landete schließlich in einer Ausbildung zum Offsetdrucker in einem großen Zeitungsbetrieb. Es war definitiv nicht mein Traumberuf, aber meine Möglichkeiten waren begrenzt, und ich nahm, was ich bekommen konnte.
Der Einstieg war hart. Ich wusste kaum etwas über Drucktechnik, geschweige denn über das, was mich in einem so traditionsreichen Beruf erwartete. Schon am ersten Tag spürte ich, dass hier andere Regeln galten – es roch nach Druckfarbe, Papierstaub lag in der Luft, und die Maschinen gaben einen durchdringenden Rhythmus von sich, der die Halle erfüllte wie ein monotoner Herzschlag aus Stahl und Öl.
Mein Ausbilder war ein erfahrener Drucker alter Schule – streng, wortkarg, aber fair. Er hatte jahrzehntelange Erfahrung und verlangte viel von seinen Lehrlingen. Fehler wurden nicht großartig diskutiert, sondern direkt und deutlich angesprochen. „Hier wird gearbeitet, nicht philosophiert“, sagte er einmal, als ich zu viele Fragen stellte. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – lernte ich schnell.
Die ersten anderthalb Jahre meiner Ausbildung fühlten sich an wie ein Marathonlauf im Dunkeln – ohne zu wissen, ob am Ende überhaupt ein Ziel auf mich wartete. Ich war jung, unsicher und hatte mich in einem Beruf wiedergefunden, der mich zu Beginn weder fesselte noch erfüllte. Alles war neu, fremd und irgendwie… falsch.
Wenn ich heute daran zurückdenke, sehe ich das Bild eines jungen Menschen, der jeden Morgen viel zu früh aufsteht, den Rucksack schultert und sich auf eine Reise begibt, die weit mehr war als nur der Weg zur Arbeit. Es war ein täglicher Kraftakt – körperlich wie mental.
Ich hatte keinen Führerschein. Also hieß es: Fahrrad zum Bahnhof, dann in einen überfüllten Zug und schließlich wieder aufs Rad. In der Theorie machbar – in der Praxis eine Zumutung. Besonders im Winter, wenn der Regen waagerecht fiel und das erste Licht des Tages noch auf sich warten ließ. Ich erinnere mich an viele Morgende, an denen ich durchgeweicht und frierend am Bahnsteig stand, während sich Zweifel in mir breitmachten: „Warum tust du dir das an? Ist das wirklich dein Weg?“
In der Druckerei angekommen, roch alles nach Papier, Farbe und Maschinenöl. Es war eine eigene Welt – laut, schnell, funktional. Ich beobachtete meine Kollegen, wie sie mit Routine und Präzision arbeiteten, während ich mich eher wie ein Fremdkörper fühlte. Ich war da, aber noch nicht angekommen.
© TomTom 2025-06-26