von TomTom
Diese Phase meines Lebens war weit mehr als nur der Beginn meiner beruflichen Laufbahn – sie war der erste wirkliche Aufbruch in ein eigenständiges Leben. Zum ersten Mal spürte ich, was es bedeutete, Verantwortung für sich selbst zu tragen – und zugleich die süße, manchmal überwältigende Freiheit, endlich selbst entscheiden zu dürfen. Keine Schulpflicht mehr, keine familiären Regeln, kein Stundenplan. Nur ich, ein erstes Gehalt, eine vage Ahnung von Zukunft – und das Gefühl, jetzt könne endlich das „echte Leben“ beginnen.
Ein Ort wurde für mich in dieser Zeit zu einem wahren Fixpunkt: der „Biergarten bei Manni“. Eine rustikale Kneipe, nicht besonders schön, nicht besonders groß – aber voll mit Geschichten, Gerüchen und Gesichtern, die mir bald vertrauter wurden als vieles andere. Dort, an den wackeligen Holztischen unter gelben Lampen, traf sich unsere Clique jeden Freitag- und Samstagabend. Ein wild zusammengewürfelter Haufen: Lehrlinge, Studierende, Handwerker, Gestrandete, Träumer. Mal laut, mal leise, mal liebevoll chaotisch, mal herrlich überdreht – aber immer voller Leben.
Es war ein Ort, an dem wir alles teilten: unser Bier, unsere Geschichten, unsere Unsicherheiten und unsere Siege. Wir lachten, diskutierten, flirteten, tranken – manchmal zu viel, manchmal genau richtig. Es war eine Zeit der ersten Alkoholexzesse, harmlos und doch rebellisch, ein Spiel mit der eigenen Standfestigkeit. Und mittendrin immer wieder: das Kartenspiel 17 und 4. Stundenlang konnten wir uns darin verlieren, die Karten knallten auf den Tisch, kleine Beträge wechselten die Besitzer, das Adrenalin rauschte – als wäre es ein Pokertisch in Las Vegas und nicht der alte Holztisch bei Manni.
Doch bei all dem Lärm, dem Gelächter, dem Stimmengewirr und der angeregten Aufregung war da noch jemand – still, verlässlich, beinahe unbemerkt: Pauli. Er war nie der Lauteste, selten der Erste, der sprach. Aber er war da. Immer. In seinem Blick lag oft etwas Nachdenkliches, als würde er die Welt von einem anderen Winkel aus betrachten. Er spielte mit, er trank mit, aber immer in seinem eigenen Rhythmus, leicht abseits und doch mittendrin. Wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, erinnere ich mich besonders an seine leise Präsenz. An seine Art, im richtigen Moment ein paar Worte zu sagen – und die Dinge damit auf den Punkt zu bringen. Für mich war er mehr als nur ein Freund. Er war so etwas wie ein stiller Kompass. Nicht aufdringlich, nicht bestimmend – aber wenn ich schwankte, war er der, der mir half, das Gleichgewicht zu halten, ohne dass ich darum bitten musste.
Es war eine Zeit der Freundschaft, der Freiheit, des Aufbruchs – und in ihrer Unbeschwertheit doch zutiefst prägend. Wir glaubten, dass alles möglich sei. Dass wir endlos Zeit hätten. Dass die Nächte nie enden würden. Und vielleicht war es genau dieses Gefühl – dieses naive, wunderbare Vertrauen ins Leben –, das diese Jahre so unvergesslich machten.
© TomTom 2025-07-01