von Gabriele Leeb
Nun bin ich wieder in der Gegenwart angelangt.
Kein Tag gleicht dem anderen. Sicher gibt es eine gewisse Routine, doch kein Kunde ist gleich, genauso wie die Angehörigen eine Vielzahl an Menschen Typen darstellen. Es gibt beinahe nichts, was es nicht gibt.
Mein Leben ist bunt, voller Düfte und interessanter Begegnungen. Meine Nase taucht ein in Sträuße mit Chrysanthemen, Lilien, Nelken und Rosen, begleitet vom Geruch von Bienenwachs und Sojawachs und dem Aroma von der Vergänglichkeit.
Zelebriert den Abschied! Wir, unser Institut, begleiten euch auf eurem letzten Weg. Kurz und schmerzlos oder pompös und ausufernd. Spektakulär oder altbacken, ganz nach euren Wünschen. Im Sarg oder in der Urne oder verewigt im Meer oder am höchsten Berg. Mit Tanz und Musik oder in Stille. Legal und vielleicht auch ab und zu illegal.
Da gab es diese Multimillionärin Frau H., die lebte von und für das Shopping. Im hohen Alter von 89 fuhr sie in den Shoppinghimmel auf. Ihr letzter Wunsch: Verstreut mich, meine Asche, über einem meiner Einkaufszentren und danach geht alle shoppen.
Natürlich war das nicht gestattet, jedoch wir hatten einen Einfall und wir überließen nichts dem Zufall. Ein EKZ lag am Rande der Wüste in Las Vegas. Eine Aschenbestattung in der Wüste ist ja erlaubt, also warteten wir auf den Tag, an dem starker Wind in Richtung EKZ angesagt war und tatsächlich! Der Sturm blies die Asche über das Einkaufszentrum. Nicht ein Stäubchen blieb in der Wüste liegen. Frau H. hat wahrscheinlich jubiliert und unser Auftrag war erfüllt.
Ich kann nur immer wieder betonen, dass ich meinen Beruf über alle Maßen liebe. Man ist Künstler, Visagist, Poet, Zeremonienmeister, eine Art Psychologe im Umgang mit den Hinterbliebenen, Ästhet, Kaufmann, Projektleiter und noch vieles mehr. Niemand meiner Kunden hat überlebt, denn sterben muss jeder.
Auch meine Beerdigung habe ich schon bis ins kleinste Detail geplant und niedergeschrieben. Ich werde mich dabei köstlich amüsieren und auf meinem Grabstein wird einmal stehen:
Entschuldigung, dass ich nicht aufstehe.
Adalbert Morgentau. Bestatter.
Der Tod war mein Leben!
© Gabriele Leeb 2025-02-11