Meine Doktorarbeit: Rollenkonflikte der Mütter

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Zu manchen Zeiten bekamen Mütter Orden. Auch jetzt erfreut sich der Muttertag größter Beliebtheit. Die Mütter werden mit Blumen oder einem Restaurantbesuch geehrt. Manche Kinder hatten etwas gebastelt. Auf den ersten Blick hatte das „behübschte“ Bild der Mutter eine gewisse Attraktivität, weil es wenigstens ein wenig Anerkennung bedeutete. Aber das war eine Falle, denn auf den zweiten Blick wurde deutlich, dass die Festlegung der Frau auf die Natur und auf das Private eine politische Entmächtigung nach sich zieht. Idealisierung bedeutet gleichzeitig auch Diskriminierung. Männer haben sich sehr gerne bedienen lassen, auch wenn sie beobachten konnten, dass ihre Frauen bis spät abends noch beschäftigt waren. Der britische Ökonom Kenneth Galbraith formulierte das so: “Die Verwandlung der Frauen in eine heimliche Dienerklasse war eine ökonomische Leistung ersten Ranges“. In der Zeit dieses konservativen Familienkonzepts bin ich aufgewachsen und habe es als normal empfunden. Ich habe geglaubt, dass die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der sogenannten „Kleinfamilie“ naturgegeben sei. Tatsächlich wurde sie erst im Laufe der Industrialisierung etabliert.

Ein Hineinschnuppern in die wahren Zusammenhänge brachte ein Aha-Erlebnis mit sich. So erwählte ich für meine Doktorarbeit an der Universität Wien als mein Thema „Die Rollenkonflikte der Mütter“. Ich brannte dafür und so wurde es eine besonders umfangreiche Arbeit. In 327 Seiten habe ich 45 000 Daten erhoben und verarbeitet. Ich machte mit 142 Frauen umfangreiche, teils selbst entworfene Tests. Die Auswertung war Anfang der 80-er Jahre sehr zeitaufwendig, denn wir hatten keine elektronischen Hilfsmittel und die wissenschaftlichen Recherchen konnte man nicht aus dem Internet laden, sondern man musste tagelang in der Unibibliothek sitzen und die Passagen herausschreiben. Die Bücher durften nicht den Raum verlassen.

Die statistischen Fakten vor 40 Jahren zeigten ein erschreckendes Bild: von den Maturantinnen erreichten zwei Drittel höchstens eine mittlere Position als Angestellte, während zwei Drittel ihrer männlichen Kollegen Spitzenpositionen bekamen. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle dieselbe Ausbildung und keine Kinder. Mutterschaft spielte also noch keine Rolle. Es wäre schön, sagen zu können, dass diese offensichtlichen Diskriminierungen der Vergangenheit angehören. Die Tatsachen sehen aber leider anders aus.

Meine wissenschaftlichen Betrachtungen beschäftigten sich allerdings ausschließlich mit Müttern und der Zufriedenheit mit ihrem gewählten Lebensstil. Die Mütter kämpften gegen den psychischen Stress, in dem sie sich befanden und für ihre soziale Anerkennung. Oftmals haben sie für die Außenwelt als eigenständiger Mensch zu existieren aufgehört. Ihre eigene Persönlichkeit und wie sie mit ihren Problemen zurechtkommen, stieß meist auf wenig Interesse.

© Ulrike Sammer 2022-03-01

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