Meine erste Lesung. Das Finale!

Oliver Fahn

von Oliver Fahn

Story

Augen fixieren mich. Nur kurz. Dann tritt Friedrich in Aktion, nimmt die Gabel, sticht sie aus. Dank Friedrich misslingt es ihnen, sich in mir vorzuarbeiten und durch mich hindurchzubohren. Diese Augen wollten ausdrücken: Ich habe versagt! Einst sehender Steckerlfisch vermittelte in brutalisierter Dinghaftigkeit: Mit meinem Dasein beleidige ich menschliche Spezies.

Ich verkrieche mich in mein Dachzimmer, fahre schneller hoch als mein Computer. Meine Finger donnern auf seine Tasten. Gerade jetzt, wo sich meinem Kopf eine Vielzahl rasch verschwindender Gedanken aufdrängen, hängt der Cursor. Das schreit nach einer Bestrafungsorgie. Meine exzessiven Tastenaktionen machen der Betriebsamkeit des noch nicht startbereiten Computers beinahe den Garaus. Verhaspeln erscheint mir das vom Mund auf meine Finger übertragbare Wort für jene Verstrickung.

Ich stolpere. Über die Stationen des vorigen Tages. Trotz Flugangst habe ich Frankfurt fliegend anvisiert. Den Namen des Vororts, in den ich zur Lesung bestellt wurde, hat mein Gehirn verschusselt. Die Aufrechterhaltung meiner Selbstachtung basiert maßgeblich auf der Glaubensfähigkeit, nicht ich hätte im dreistelligen Bereich über das ganze Bundesgebiet verteilte Bibliotheken bekniet. Ich möchte ausschließen, dass das Publikum meine einen Abend lang dauernde Vorlesung lediglich ertragen hat. Niemand buhte, darf ich jenes Wohlwollen als Erfolg einbuchen? Auf die Stuhlreihen hin konnte ich nicht ungesagt lassen, dass ich mich für eine verfeinerte Mischung aus Wells und Kafka halte. Weichmacher wie „fast“ habe ich als Hinzufügung herausgehalten. Randnotizen, Fußzeilenbemerkungen, aller kleingedruckte Quatsch ist in meinem Autorenkontext vernachlässigbar. Ich richte mich an den mir gerade in den Sinn kommenden Musterbeispielen an Labilität auf. Ein nach Kritik verlangender, sofort unter jedem kritischen Wort zusammenbrechender Kollege, bietet meinem Selbstbewusstsein ein mir selbst unvorstellbares Größenwachstum an. Es geschehen Zeichen und Wunder.

Ich konsumiere ein Hörspiel, von dem ich mir wegen meiner Lesefaulheit einbilden muss, seine Beschallung wäre verdaulich wie ein gedrucktes Buch. Unaufhaltsam, wie windgetriebene Wolken, ziehen die Worte des Sprechers an mir vorbei. Notizen, die ich vergaß auf dem Handy zu speichern, sind meinem Gedächtnis entschwunden. Meine heutige Aufnahmefähigkeit ist rehabilitationsbedürftig. Von herannahender, sich auf dem Bildschirm spiegelnder Antonia muss ich mir vorhalten lassen, ihre priorisierten Anliegen behandele ich wie Dörfer (böhmische?). Im Anschluss derartiger Anwürfe lechze ich nach Kernsanierung. Nachdem mich Antonia wegen meiner Zweitbrille als billige Harry-Potter-Kopie einstuft, beiße ich in die Tastatur. Einen ausschweifenden Moment denke ich an die malträtierten Fischpupillen und ihre Unzugänglichkeit für die Ausmaße des Unheils, das mir widerfährt.

© Oliver Fahn 2022-05-14

Hashtags