von Werner Haussel
Zuerst fing es ja ganz einfach an. Ich fühlte mich eigentlich ganz wohl. Ich merkte schon, wie er mich etwas anders setzte wie sonst immer. Ja, ich sah es genauso. Ich merkte auch ganz deutlich seine Anspannung, eine gewisse Nervosität. Das lag wohl auch an den vielen Füßen, die sich in dem nicht ganz so großen Raum mit uns bewegten. Erschwerend kam noch hinzu, dass sich uns gegenüber, das heißt Zehenspitze an Zehenspitze, ein weiteres Paar Füße befand, das sich mit einer gewissen Korrelation im Ablauf zu unseren Füßen bewegten. Das lag daran, weil er zusammen mit seiner Frau einen Tanzkurs besuchte. Sie konnten noch ein befreundetes Ehepaar, Ute und Norbert, dazu überreden mitzukommen. Insofern hatten wir keine Aussicht auf einen baldigen Abbruch der sportlichen Maßnahmen. Hinzu kam der anschließende Besuch einer Kneipe mit langen Gesprächen. Und Spaß hatten sie auch! Und wir konnten endlich unsere geschundenen Sohlen ausruhen.
Weißt du noch, wie es dann mit den Drehungen losging? Der Tanzlehrer verlangte dabei immer von uns auf den Ballen zu gehen. Das drückte ganz schön auf die Mittelfußknochen und die Zehen. Bei den ersten Malen erinnerte ich mich dabei an die häufigen Schwimmbadbesuche in meiner Kindheit. Wir hatten in Marktredwitz ein Bad, das auf einer Seite einen strandartigen Zugang hatte. Dort ging es flach ins Wasser und der Untergrund war nicht etwa Sand, sondern relativ grober Kies. Beim Hineintreten tasteten wir uns zuerst mit dem Ballen und den Zehen vor bis zum vollständigen Auftreten. Trotzdem kam es häufig vor, dass es schmerzte oder drückte wie bei den Drehungen während des Tanzens.
Mich hat es an etwas ganz anderes erinnert. Ich denke, es war in seiner Jugendzeit, als er immer Ferienarbeit absolvierte. Mit 15 und 16 Jahren arbeitete er auf dem Bau. Seine Mutter hatte ihm den lukrativen Job beschafft. Das erste Jahr gab es 2,20 DM und im zweiten Jahr 2,50 DM pro Stunde. Es war aber eine schwere Arbeit, auch für uns Füße. Acht Stunden auf den Beinen, dazu oft schwer Heben oder sich gegen etwas stemmen. Eines Tages, du weißt das bestimmt nicht mehr, weil du ja auch nicht betroffen warst, ist es dann passiert. Am Bau lag immer viel Holz herum, Stützbalken, Schalbretter, und wir mussten immer darum herum turnen. So trat ich mir einen rostigen Nagel mitten in den Ballen. Es war erst einmal nicht anders als die ersten Ballenschritte beim Tanzen. Die großen Schmerzen und der Eiter kamen erst später.
Was meinst du? Tanzen war dann wohl doch besser, oder?
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© Werner Haussel 2021-10-23