von Monika Krampl
In jedem meiner geheimen Gärten, den ich betrete, finde ich meine Spuren.
Und ich frage mich, ob sich wohl auch die Gärten – die Bäume und Pflanzen – an mich erinnern – in geheimen Nächten, wenn mein Schatten durch den Garten schwebt …
1950 kam ich zur Welt und lebte von Beginn an im Nutzgarten meiner Großmutter. In diesem Garten der Nachkriegszeit gab es alles für unsere tägliche Nahrung.
Als ich 5 Jahre alt war, waren die Bäume bereits so groß, dass ich mit meiner Puppe Lisa und einem Märchenbuch in der Astgabel des Apfelbaumes sitzen konnte. In dieser Zeit bekam ich auch mein erstes Gartenbeet, das ich selbst anlegen durfte. Ich war sehr stolz.
Meine Großmutter und meine Mutter waren schwermütige Frauen. Meine Großmutter kam in einem Dorf an der tschechischen Grenze zur Welt. Die Welt dort oben ist rau und hart. Dort lebt sich’s nicht leicht. Und so wie das Land sind auch die Menschen. Großvater kam nicht zurück aus dem Krieg. Großmutter wurde zur Patriarchin. Sie konnte und musste auch wie Waldviertler Granit sein – war sie doch eine der Nachkriegstrümmerfrauen.
Ich musste weg, um leichtfüßig zu werden. Um auch mit Leichtigkeit durchs Leben gehen zu können. Obwohl auch die Schwermut ein Teil meines Lebens blieb. Ich kenne beides – Leichtigkeit und Schwere.
Mein realer Garten ist seit sechs Jahren der Garten meines Sohnes, in dem ich mir ein kleines Haus gebaut habe. Und jeden Tag bin ich seither damit beschäftigt, mich wieder für einen längeren Zeitraum in meinem jetzigen Garten einzuwurzeln.
In all den Jahren meines Herumziehens vergrößerte sich mein innerer geheimer Garten mit all den Gärten in denen ich über kurze oder lange Zeit gelebt habe.
Da gab es den Schwiegermuttergarten, als ich heiratete und aus meinem Kindheitsgarten auszog. Dann gab es in Wien den Liebesgarten, ein Eckchen im barocken Garten des Oberen Belvederes, in den mein damaliger Liebster und ich uns immer zurückzogen; es gab Gärten in den Innenhöfen meiner Wohnungen; den Gemüsegarten in der Toskana, den ich anlegte, als wir über Wochen das alte Steinhaus am Hügel renovierten. All diese Gärten und noch mehr gibt es in meinem geheimen Garten. Ich brauche nur die jeweilige Gartentür zu öffnen und kann sie jederzeit betreten.
Ein geheimer Garten fehlt noch. Es ist der mediterrane Garten am Meer. Er repräsentiert die „Leichtigkeit des Südens“ – ich muss ihn immer wieder besuchen, um die Leichtigkeit zu spüren, sie mir wieder herzuholen, um nicht in den weichen, dunklen Fluten der Melancholie zu versinken.
Der mediterrane Garten mit dunkelgrĂĽnen Zypressen vor dem strahlend blauen Himmel; mit Oleander, Granatapfel und Olivenbaum; Palmen, deren Wedel im Wind rascheln; der Duft des Lavendel und der Klang der Zikaden. Und ĂĽber allem das Rauschen des Meeres, das Schlagen der Wellen an das Ufer; der Duft nach Salz, Algen und Fisch.
Mein geheimer Garten schenkt mir Spuren meines Lebens – Erinnerungen.
In meinem geheimen Garten bin ich verwurzelt.
Immer.
© Monika Krampl 2021-03-02