Schokolade war bestimmt nicht mein erstes Wort, aber sie war im Laufe meines Lebens immer ein guter Begleiter und eine Zeitlang sogar mein Lebensinhalt. Mein Papa hat ja in der Salzburger Schokoladenfabrik im Büro gearbeitet und so hatte ich in den 1960er Jahren ein großes Privileg. Es gab Zuhause immer sehr gute Schokolade und zu Weihnachten natürlich herrliche Süßwaren. In meiner Phantasie war die Schokoladenfabrik so eine Art Weihnachtsbackstube, wie in meinen Bilderbüchern. Besuchen durfte ich sie ja nicht.
Zu meiner Firmung habe ich von der Eigentümerin eine wunderschöne dreistöckige Pralinenschachtel geschenkt bekommen. Jede einzelne Praline ein unvergesslicher Genuss. Wenig Genuss empfand ich bei der Entscheidung meines Papas ein Lehre im Büro der Schokoladenfabrik zu machen. Das passte mir so gar nicht in meine Zukunftsträume. Träume sind nur Schäume, sagt man ja und die Realität oft bitter. Für mich allerdings mehr als zuckersüß.
Ich hatte das große Glück als Industriekaufmann meine ersten beruflichen Wege zu beschreiten und somit war der Alltag nicht nur Büro, sondern jeder Tag Abenteuer in der Produktion der Schokoladenfabrik. Mein erster Weg führte mich durch eine kleine Eisentür in ein typisches Industriegebäude mit viel Lärm, aber wie im Märchen brauchte ich nur dem süßen Duft von Kakao, warmen Waffeln und Fruchtmus folgen, bis ich am Höchstgenuss angelangt, vor der großen Conchiermaschine stand. Ich starrte in das kleine Bullauge im Kessel und träumte mich in die Wogen der Schokoladenwellen.
Der kurze Traum wurde jäh durch einen festen Druck auf meine Schulter unterbrochen. „Bist das neue Lehrmadl, musst auch kosten, nicht nur schauen!“ Mit diesen Worten nahm mich die Marketingchefin an der Hand und stellte mich vor den Produktionsbändern hin. Dann begann sie die Taschen meines weißen Arbeitsmantels zu füllen. Sie nahm von allen Bändern Süßigkeiten und bestückte mich damit, wie einen Christbaum.
So prall in Süßigkeiten gepackt kam jetzt plötzlich die Chefin der Firma ums Eck. Sie lächelte nur und meinte: „Mein liebes Fräulein Heidemarie, bitte nehmen sie in Zukunft nur unverpackte Ware, sonst gehen meinen Leuten die Zeiten ab.“
Ich habe mich daran gehalten und habe mir auf meinen Wegen in der Schokoladenfabrik nur mehr feinsten Rohstoff für meine täglichen Eigenkreationen geholt. Meine besten Lehrmeister dafür waren natürlich unsere Konditorenmeister in den einzelnen Abteilungen.
Auch in den Genuss der echten handgemachten Salzburger Mozartkugel kam ich gelegentlich, wenn sie mir bei meinen Streifzügen von den Damen, die diese in mühevoller Handarbeit hergestellt hatten, zugesteckt wurde.
In meinen Lehrjahren wurde ich auch fürs Leben durch diese familiär geführte Salzburger Schokoladenfabrik geformt, wie die kleine Kakaobohne zum fertigen Schokoladenhochgenuss.
Deshalb öffne ich immer im Advent bei mir Zuhause meine kleine persönliche Salzburger Schokoladenfabrik.
© Heidemarie Leitner 2019-12-11