von Isi Dora
Meine Hände sind Ausdruck meiner Gefühle. Diese Gefühle haben durchs Mama-sein ein breites Spektrum erreicht.
In meiner Kindheit waren meine Fingernägel Zeugnis schlechter Nerven und zahlreicher Traumen. Abgenagt bis ans Fleisch – und das über viele Jahre. Alles, was meine Eltern versucht hatten, war nutzlos. Erst irgendwann in der Pubertät, mit viel Willen, konnte ich es mir abgewöhnen, meine Hände auf diese Weise zu missbrauchen oder als Suchtmittel einzusetzen.
In meiner Jugendzeit bekamen eben diese Hände erneut eine Zusatzfunktion aufgebrummt, die selbstverletzend war. Der Zeigefinger sollte mir mein Leben retten, indem er mich zum Speiben brachte. Leben retten, weil ich konzentrierte Kochsalzlösung getrunken hatte. Zeitlich vorangegangen war ein Missbrauch an Essen, Unmengen an Essen. Von dem mussten meine Hände mich danach befreien.
Daneben arbeiteten sie fleißig, meine Hände. Viele Jahre waren sie bereits in der elterlichen Wohnung im Putzdienst im Einsatz. Küche, Bad, WC… Und als Friseur-Ersatz für meine Mama, um ihre grauen Haare zu färben.
Doch auch wohlfühlende Momente spendeten mir meine Hände. Alleine oder mit Partnern. Sie waren in Ruhe beim Gebet. Sie fühlten verschiedenste angenehme Gegenstände und Wesen. Sie produzierten: Gewand, Bilder, Gedichte… Arbeiten im Garten oder am PC.
Wut – ein Gefühl, das sich neben meinem Stimmorgan direkt über meine Hände entlädt. Welche geballte Energie wird frei, direkt übersetzt in wahllose Gegenstände, die sich ohne Grund im Blickfeld befinden und Opfer dieses Gefühlsausbruches werden. Oftmals landen die Hände selbst auf einer nicht gerade kuscheligen Oberfläche, bei dem Versuch eben diese Energie zu entladen.
Meine Hände wühlen auf meinem Kopf, reißen an meinen Haaren, drücken sich auf meine Augen, wenn die Trauer mich übermannt, oder ich vor Überforderung nicht mehr weiterweiß. Bin ich nervös oder juckt es mich, kratzen sie mich blutig.
Sie hielten meinen Erstgeborenen, der stundenlang nicht aufhören konnte zu schreien, trugen ihn und seinen Bruder monatelang durchs Leben; wiegten sie, wickelten sie, pflegten sie. Ließen sich auch durch mehrere Sehnenscheidenentzündungen nicht von ihren Aufgaben abhalten.
Meine Hände sind mittlerweile ein großer Schwachpunkt. Sie schmerzen (oft wie der restliche Körper), fühlen sich taub, kribbelig oder geschwollen an. Wollen zwar noch, können aber nicht mehr so, wie sie sollten oder früher konnten. Erinnern mich täglich daran, dass meinem Tun, meinem Schaffen, Grenzen gesetzt sind, dass ich vergänglich bin.
Es galt, neue Wege zu bestreiten: Einen Hund zu führen, sein Fell und seine Wärme zu spüren. Das gibt wieder neue Glücksgefühle.
Wenn ich jedoch überlege, welches positive Gefühl ich am stärksten mit meinen Händen verbinde, dann das Spüren von Kinderhänden in den meinen! Immer unglaublich schön! Und leider immer viel zu schnell vorbei.
© Isi Dora 2020-09-03