von CharlyAngelika
Im Dachbodenkammerl saß ich, ganz alleine mit mir und dieser Schachtel Zigaretten. Heimlich hatte ich sie aus dem Wohnzimmerkasten herausgenommen – quasi gestohlen. Ganz gewiss hatte ich ein schlechtes Gewissen, wahrscheinlich hatte ich aber auch einen guten Grund für diese Tat. Denn ich war damals grundsätzlich eine folgsame Jugendliche! Vielleicht ein bisschen eingeklemmt zwischen zwei älteren Schwestern und zwei jüngeren Geschwistern. Vielleicht fühlte ich mich ungerecht behandelt? Nicht ausreichend oder passend bedacht bei der Geschenkevergabe?
Soeben war nämlich der Vater von der Arbeit aus dem Nahen Osten auf Urlaub nach Hause gekommen. In seinem Gepäck waren lauter interessante Dinge aus dem fernen Land mit dabei: ein grüner Gebetsteppich, eine Schlangenhaut mit noch ein wenig Wüstensand behaftet, „goldene“ Kaffeekannen, winzige Tässchen dazu, Tierfelle, ein Dolch, kunstvoll verzierte Messer, Schmuck, Gewürze, Wasserpfeifen, Weihrauch. Ein reichhaltiges Sortiment, das wir Kinder gebührend bestaunten und von dem für jedes von uns auch etwas Spezielles als Mitbringsel ausgeteilt wurde.
Unter allem anderen tauchten auch diese Zigaretten aus dem schier endlosen Fundus auf und wurden wie alles andere erklärt und besprochen. „Filterlos sind sie und extrem stark. Die können sogar einen geeichten Raucher umhauen. Jedenfalls sind sie nur für besondere Anlässe und…“ Und so weiter und so fort. Ich kann mich an weitere Details nicht mehr erinnern. Nur, dass ich mir genau gemerkt hatte, wo die Zigaretten aufbewahrt wurden.
Eines Nachts dann, unter günstigen Umständen im sehr belebten Haus unserer großen Familie, beschloss ich, mir eine zu genehmigen. Hellbraun und weiß war die Schachtel und mit arabischen Motiven geschmückt. Mit Kamelen eventuell auch? Keine Ahnung mehr.
Es blieb nicht bei der ersten Zigarette, eine der allerersten Zigaretten überhaupt. Ich rauchte eine nach der anderen und nach dem Genuss dieser heiligen Glimmstängel war die Schachtel leer und ich halbtot. Ich war so elend beieinander, dass ich überzeugt war, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Ich überstand diese Nacht irgendwie, einsam, weil schuldbewusst.
Wie es am Tag danach weiterging, habe ich aus meinem Gedächtnis gestrichen. Nur eine einzige Konsequenz aus dem Geschehenen hat mein Leben nachhaltig beeinflusst: Damals rauchte ich meine letzte Zigarette!
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© CharlyAngelika 2020-11-17