von Libero
Bei dem Telefonat mit der zuständigen Sozialarbeiterin beschwerte ich mich über das Zustandekommen des Vertrages der 24-Stunden-Pflege für meine Mutter, weil ich darauf keinen Einfluss nehmen konnte. Ich wusste aber auch gleichzeitig, dass ich am kürzeren Ast saß. Letztendlich sagte ich zu, dass ich mich um alles kümmern würde, wenn sonst niemand dafür infrage käme. Einzige Bedingung meinerseits war, dass alles so vorbereitet sein soll, damit ich das an einem Tag erledigen kann.
Die Sozialarbeiterin erzählte der behandelnden Oberärztin von dem Telefonat, woraufhin sie meine Mutter quasi zur Strafe zu einem Gespräch zitierte, in dem sie ihr die Tatsache mitteilte, in Zukunft besachwaltet zu werden. Nachdem sie sich etwas gefangen hatte, rief sie mich ganz aufgelöst an. Tags darauf stellte ich die Oberärztin zur Rede. Sie meinte, ich wäre nicht zuverlässig und wir könnten nichts mehr dagegen unternehmen. Ich entgegnete ihr, die Sozialarbeiterin könnte ihr bestätigen, dass ich mich ja letztendlich zur Kooperation bereit erklärt hatte. „Die kann ich aber nicht fragen, weil sie jetzt zwei Wochen im Urlaub ist“, war die niederschmetternde Antwort.
Weder meine Mutter noch ich waren auf so eine Wendung vorbereitet, denn bis heute ist sie zwar psychisch labil aber geistig ganz klar. Somit war ich auch nicht zeichnungsberechtigt für das Schließfach in der Hausbank, das Haus war noch nicht auf mich überschreiben und es gab keine Vorsorgevollmacht. Sie war mit sofortiger Wirkung enteignet und ich mit ihr. Ich bin ihr einziger Sohn und noch dazu ausgebildeter Sozialarbeiter. Mit dieser Vorgeschichte wurde ich damals nicht als Sachwalter in Betracht gezogen. Das Gericht entschied, dass diese Aufgabe an eine Anwaltskanzlei geht. Auch ein Rekurs, den ich für meine Mutter schrieb, half nichts. Wir waren beide machtlos.
Das Gesetz sah damals vor, dass dem Sachwalter fünf bis zehn Prozent der laufenden Einkünfte und jährlich zwei Prozent des Gesamtvermögens zusteht. Darüber hinaus darf er auch Tätigkeiten, die eine juristische Expertise voraussetzen, extra verrechnen. Das machte bei meiner Mutter in etwa 10.000 Euro jährlich aus. Ein gutes Geschäft für einen Anwalt. Besonders wenn man in Betracht zieht, wie wenig sich diese zuständige Person letztlich um meine Mutter kümmerte.
Ein Beispiel: Fünf Tage vor der Spitalsentlassung wurde die Sachwalterin bei meiner Mutter vorstellig. Im Zuge dessen übergab ihr meine Mutter die Hausschlüssel und wies auf die Heizung hin, die vom Installateur von Sommer- auf Winterbetrieb umgestellt werden musste, denn mittlerweile war es November und ziemlich kalt. Fünf Tage sollten reichen, sich darum zu kümmern. Am Tag der Entlassung wurden dann aber ihre schlimmsten Befürchtungen wahr: Sie kam in ihr Haus, in dem es sieben Grad hatte und als Pflegefachkraft wurde ihr eine 19-jährige Berufsanfängerin zur Seite gestellt, die kein Wort Deutsch sprach und heillos überfordert war.
© Libero 2020-12-21