von Katrin Biber
doch kaum jemand interessiert sich nun in der Coronakrise dafür. Für die Geschichte, für meine Schwester, für mein Buch, das ich für sie geschrieben habe, aber auch für alle Menschen, die durch Verluste gehen.
Ich bin traurig, wütend, schockiert, verzweifelt. Und frage immer wieder warum? Die Zeit, in der ihr Mörder Aufmerksamkeit bekam war da, nun sollte doch die Zeit für meine Schwester kommen…
Ich bin Katy, komme aus Tirol und 2013 wurde meine 21 jährige Schwester von ihrem Freund ermordet. Ich bin durch die tiefsten Tiefen der Hölle gegangen und wieder aufgestanden, habe mich zurückgekämpft in dieses Leben. Und ein Buch geschrieben, das anderen Menschen diesen Kampf zeigen soll, sie ermutigen soll, ihren persönlichen Kampf weiterzukämpfen und ebenfalls ins Leben zurückzukehren. Doch ein Buch während der Coronakrise raus zu bringen ist kein einfaches Unterfangen. Ein solches Buch überhaupt zu veröffentlichen, ohnehin nicht. Denn kaum einer möchte darüber berichten. Corona ist gerade wichtiger. Und ich möchte nur schreien: „Aber ich habe doch geträumt, so hart dafür gearbeitet, so viele Jahre unter Tränen Satz für Satz geschrieben, dass sich auch endlich etwas nach Gewalttaten verändert.“ Und ich höre nur mein Echo, nicht mehr, nicht weniger.
Stattdessen sitze ich nun hier, in Quarantäne und kann nur hoffen, dass dieses Buch doch noch Einige gut erreicht. Es ist erschienen und kann bestellt werden, aber wird das derzeit jemand tun, frage ich mich?
Ich lege mich ins Bett und beginne zu träumen, von einer anderen Welt, einer Welt ohne Corona, in der ich am Geburtstag meines Buches in eine Buchhandlung spaziere, an der einen Seite meine Schwester Anna, an der anderen Seite meine Schwester Mara. Wir stehen inmitten der Bücher und entdecken dieses eine, unser Buch, unser Leben, beginnen zu weinen und zu lachen und stellen uns vor, was wohl unsere verstorbene Schwester gesagt hätte. Wir packen einen Sekt aus, trinken auf unsere Schwester. Wie sehr ich sie doch in diesen Tagen vermisse… so sehr, dass es mein Herz fast zerreisst.
Ich träume weiter, wie ich meinen Eltern die ersten Exemplare in die Hand drücke, sie umarme und festhalte, wieder weine und lache, gleichzeitig, wie so oft in der Trauer. Wie ich mit dem Buch zu ihrem Grab gehe und ihr daraus vorlese, erneut weine und lache.
All das kann so nicht stattfinden derzeit, wie ich es erträumt hatte. Es tut weh, richtig fest weh. Aber ich weiß auch, dass es bestimmt irgendwann mal stattfinden wird, dann wenn die Krise vorbei ist. Bis es soweit ist, bleibt nur die Hoffnung. Sie ist es, die mich so oft durch mein Leben weiter getragen hat. Und die Liebe, zu meiner Schwester, zum Leben selbst, die mich umhüllt und mir hilft durch diese weitere Krise zu gehen.
Meine Schwester wurde ermordet, doch kaum jemand interessiert sich gerade dafür. Derzeit gibt es Schlimmeres. Ich weiß. Ich weiß es. Und doch tut es grad weh. Es darf jetzt einfach mal weh tun und traurig sein.
(c) Katrin Biber
© Katrin Biber 2020-04-02