Meine Schwiegermutter

Ehrentraut

von Ehrentraut

Story

Im Januar letzten Jahres starb meine Schwiegermutter. Sie litt in den letzten zwei Jahren an einer schweren Krankheit und sollte eigentlich nach der Diagnose nur mehr ein paar Monate zu leben haben, aber mit ihrem Lebensmut und ihrer positiven Haltung wurden aus den paar Monaten noch zwei Jahre. Sie beklagte sich niemals über ihre Krankheit und nahm alle Therapieversuche dankbar an und brachte bei ihren Krankenhausaufenthalten stets das Personal und ihre Zimmermitbewohnerinnen zum Lachen.

Sie hatte immer irgendeinen Witz parat und lachte selbst am meisten und lautesten beim Erzählen dieser auch teilweise recht schlüpfrigen Witze. Bei Familienfesten ermahnte sie mein Schwiegervater darauf immer etwas weniger laut zu sein, was sie nicht kümmerte, sie lebte ihre Lebensfreude.

Wir hatten manchmal ein etwas zwiespältiges Verhältnis, ich habe ja auch ihren einzigen Sohn geheiratet! So bekam ich bei Familienessen meist das sehnigste Fleisch und musste gemeinsam mit meiner Schwägerin die Männer, die sich selten vom Tisch rührten, bedienen. Ja im Haushalt meiner Schwiegermutter waren die Rollen noch sehr klar verteilt, obwohl mein Schwiegervater zwar mit geholfen hat zu putzen und manchmal sogar gekocht hat, Männer waren einfach an erster Stelle und mussten umsorgt werden.

Ich kann mich noch erinnern, dass sie meinen Mann einmal am Abend fragte, was sie ihm zum Essen richten dürfte? Es hat Jahre gedauert bis mein Mann auch im Haushalt mit geholfen hat, außer den Müll weg zu bringen. Die ersten Male, wo er bei uns Staub saugte, hat er die Vorhänge zugemacht, damit das die Nachbarn nicht sehen können, dass er im Haushalt arbeitet.

Meine Schwiegermutter hatte keinen Führerschein, da sie ja auch keinen brauchte, wie sie meinte. Sie fuhr mit dem Rad, bei jedem Wetter, aber immer ohne Helm, da ja die Frisur dabei zerstört werden konnte. Das wichtigste für sie war, dass sie immer gut gekleidet war und jeder sehen konnte, dass ihre Welt in Ordnung ist.

Sie konnte sehr gut nähen und stricken und versorgte uns immer mit den besten Weihnachtskeksen. Als mich mein Mann das erste Mal zu seinen Eltern mit nach Hause nahm, buk sie für diesen Anlass einen Schokoladenkuchen, weil sie meinte, das lockere die Stimmung auf. Der Kuchen wurde zu meinem Lieblingskuchen und nur sie konnte ihn so saftig backen, jeder Versuch ihn nach zu backen funktionierte einfach nicht.

Meine Schwiegereltern lebten über fünfzig Jahre in einer Art Hassliebe zusammen und es war manchmal schwer zu verstehen, wie sie es aushalten konnte, so oft unterdrückt zu werden. Wenn man sie darauf ansprach, lachte sie es einfach weg und meinte, es sei alles in Ordnung. Es war ihr immer ein Anliegen, dass es ihrer Familie gut ging, auch wenn sie in ihrem Leben oft nicht glücklich war.

C-Oma, ich denke oft an dich und vermisse dein Lachen!

© Ehrentraut 2022-01-20

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