von monkichou
Es regnet.
Das Geräusch Balsam und Trauerlied zugleich für meine Seele.
Leises Klopfen am Fenster, als ob es einen wachrütteln möchte. Als ob die Welt sich bemerkbar macht, sachte ruft „Hier bin ich, lass mich rein!“. Ich schaue raus, erkenne kaum die gegenüberliegende Straße. Es regnet stark, sehr stark. Ein wehmütiges Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Welt hinein lassen möchte. Stattdessen klopft ein wohlbekannter, alter Freund im Inneren an. Die liebe Melancholie.
Heute ist sie wieder laut, die gute Mel, wie ich sie liebevoll nenne. Manchmal ist es so viel einfacher Selbstgespräche zu führen, wenn die Emotion einen Namen hat. Zumindest hat es mir geholfen.
Ich schließe die Augen, lausche dem Regen der nun so viel intensiver klingt. Und eben Mel, deren Stimme in meinen Gedanken immer lauter wird.
„Lass sie nicht rein, die Welt, sieh dir doch an, selbst der Himmel weint und weint und weint und versucht alles da draußen zu ertränken.“
Mein Lächeln, wehmütig und zart auf meinen Lippen. Ja, Mel war schon immer sehr wehleidig. Ich atme einmal tief ein. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nicht mehr zu stark auf sie zu hören, auf ihre zeitweilig sehr negativen Anflüge. Langsam öffne ich die Augen wieder, seufze, lasse los. Ich lasse die Erwartungen los, lasse Mel los, lasse die Anspannung, die schon in jedem meiner Muskeln fest sitzt los. Behutsam, ganz vorsichtig bewege ich mich. Erst nur die Zehen und dann ist meine Hand schon am Fenster. Ich öffne es.
Direkt spüre ich die verirrten Regentropfen auf der Haut meines Gesichtes, hereingetragen durch den Wind. Ich schließe die Augen wieder, nehmen einen tiefen Atemzug. Ich spüre in meinem Mund und Rachen die Feuchtigkeit, das Wasser, die Emotionen. Dann weint die Welt eben, aber selbst diese Traurigkeit birgt eine ungreifbare Schönheit in sich, nicht wahr? Unendlich endliche Schönheit.
Während ich die Emotionen der Welt einatme, beginnt sich ganz zaghaft etwas zu verändern. Wie von selbst wandern meine Mundwinkel wieder leicht nach oben, mein Körper bemerkt die Veränderung, das leichte Kribbeln und die Wärme auf der Haut lange, bevor mein Verstand sie greifen kann. Die kalten, feuchten Tröpfchen streicheln meine Haut kaum mehr, stattdessen ist dort nun zarte Wärme, angedeutet, sacht, unschuldig.
Als ich meine Augen aufschlage, blicke ich ein unwirkliches Konstrukt von aufgetürmten Wolken. Ein Lichtspektakel bricht durch die Wolkenschicht, einzelne Strahlen, die ihren Weg auf die Welt suchen. Hoffnungsschimmer, die einen daran erinnern, dass hinter jeder Traurigkeit auch Glück versteckt ist. Mich daran erinnern, dass wo das eine, auch das andere ist.
Jede Wolkendecke bricht früher oder später auf, solange man ihr nicht komplett den Rücken zudreht. Solange ich ihr nicht den Rücken zudrehe.
© monkichou 2023-08-03