von Kamélia Bancsov
Melisas Buch „Generation Haram“ habe ich erst dieses Jahr in die Hände bekommen. Das Werk hat mich tief beeindruckt. Ein paar Tränen sind auch geflossen. Melisa hat eine starke Persönlichkeit, sie musste ihr ganzes Leben lang gegen Ungerechtigkeiten kämpfen. Ihre Eltern waren bosnische Flüchtlinge. Als Lehrerin setzte sich Melisa für ihre SchülerInnen ein. Ihre Hingabe zu dem Lehrerberuf spürt man durch die Zeilen. In diesem Buch erzählt sie ihre Geschichte und die Erfahrungen anderer MigrantInnen.
Ich wohne erst seit 2013 in Wien und weiß genau, welche Schwierigkeiten auf Personen mit Migrationshintergrund hinzukommen. Ich war jedoch nur zwei Jahre an einem Wiener Realgymnasium und hatte die Chance, zu maturieren und ein Studium anzufangen. Ich lernte also das österreichische Bildungssystem kaum kennen und meine Erfahrungen unterscheiden sich deutlich von den geschilderten Fällen im Buch. Ich hatte das Glück, dass mich die Klassenkameraden in Österreich akzeptierten und ich nur eine einzige Herkulesaufgabe hatte, das Erlernen der deutschen Sprache. Die Problematiken, die in Melisas Buch zu lesen sind, sind erschreckend. Melisa erklärt, dass Sprache der Schlüssel zur Integration sei. Es ist der einzige Weg, der zur sicheren Zukunft führt.
Es hat mein Herz gebrochen, als ich über die Diskriminierungserfahrungen mancher Kinder gelesen habe. Bereits im Kindesalter beginnen Machtspiele, die wir in der Gesellschaft tagtäglich zu spüren bekommen. Stereotype und Vorurteile bestärken nur die Trennung von Kulturen in der österreichischen Gesellschaft. Diese Kategorien werden auch irgendwann zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung für die Personen mit Migrationshintergrund, und dadurch sind diese Menschen nicht in der Lage, den Teufelskreis durchzubrechen. Worte und Begriffe hindern uns oft daran, eine bessere Zukunft für uns zu schaffen, egal welche Herkunft man hat. Der Mensch wird von seiner Geburt an in Kategorien gesteckt, die er selbst nicht wählen konnte. In Österreich scheint eine veraltete Prädestinationslehre zu herrschen, die wir aus dem Mittelalter kennen. Diese Lehre stammt von religiösen Gelehrten, die daran glaubten, dass Gott von vornherein über das Schicksal seiner Untertanen entscheiden kann. Melisas Erzählungen bezeugen, dass auch Bildung in Österreich vererbt ist. Kinder mit Migrationshintergrund können den Zyklus der Ungerechtigkeit also nicht einmal durch eine höhere Bildung brechen.
Ich bin froh, dass Melisa dieses Werk verfasst hat. Es wird endlich die Perspektive von Kindern mit Migrationshintergrund beleuchtet. Auch wenn sich vieles an Schulen ändern muss, jeder von uns kann dazu beitragen, dass diese Ungerechtigkeiten verringert werden. Wir brauchen mehr Empathie und Verständnis für Menschen, die Schwierigkeiten mit der Sprache haben. Vorurteile hindern uns unter anderem daran, das Individuum hinter der Kategorie zu sehen.
© Kamélia Bancsov 2021-10-29