von Micaela Hemesath
Nebelschwaden aus übelriechenden Zigaretten umfingen uns, die Luft war testosterongeschwängert, die vielen Männerleiber halbnackt, dicht bei dicht, aufgeregt brüllend, es stank wie im Tigerkäfig im Winterhaus der Tiere im Zoo. Wir waren unterwegs in Tagbilaran auf der Insel Bohol, einer der vielen Inseln der Philippinen. Wir, das war mein damaliger Ehemann aus Südtirol und ich, die Fliegerin. Unser Jahresurlaub führte uns erst nach Bangkok, Hongkong und Macau, dann nach Manila und weiter auf die Insel mit den Chocolat Hills.
Wo wir uns heute hin verirrt hatten, merkten wir erst, als wir mehr zur Mitte durchdrangen, durch die wogende Männermasse. Ein großer eingezäunter Kreis, darin zwei zerlumpte Gestalten, die jeder einen schmächtigen Hahn in den Händen hielten. An ein Bein gebunden war eine messerscharfe Klinge. Hahnenkampf! Ich wollte sofort den Rückzug antreten, doch mein Mann zückte die neu erworbene Super 8 Filmkamera und fing an, alles zu filmen. Es war der Kampf Albtraum der wild gewordenen Hähne. Gnadenlos gingen sie aufeinander los. Ritsch, das Blut spritzte in hohem Bogen und der arme Gigerlkopf hing schlaff nach unten. Der Besitzer des Siegerhahns ging in der Runde seine Siegerprämie der Wetten einsammeln und der erschöpfte Siegerhahn wurde angestachelt zur zweiten Runde.
Ich hatte genug gelitten, soll er doch filmen, ich muss raus, bevor ich zur Hahnenretterin mutiere. Bei Stierkämpfen war ich ja schon mit 15 Jahren in Andalusien und dann fünf Jahre später in der großen Stierkampf-Arena von Mexiko City. Aber diese muskulösen großen Stiere konnten wenigstens mit Glück den Torero auf den Hörnern aufspießen, die armen dünnen Hähne waren früher oder später dem Tod geweiht, schwer verletzt und nicht einmal Suppentopf geeignet. Dass man sowohl die Stier- als auch die Hahnenkämpfe als Tradition und kulturelles Erbe einreiht, so etwas kann auch nur blutrünstigen Männerhirnen einfallen und spielsüchtigen Mafiosi.
Traurig, wütend und mit flauem Magen saß ich ausserhalb der kleinen Arena und wartete auf meinen Filmemacher. Erst Jahrzehnte später, als die Filme digitalisiert wurden vom Film Archiv Österreich, (danke dafür!) schaute ich mir erstmalig das Gemetzel an. Heute wie damals ein Horror!
Gottseidank fanden wir einen kleinen Kiosk, der lauwarmes Bier verkaufte, den Schock musste ich runterspülen! Die Freude auf eine Fahrt ins Blaue mit unserem geliehenen Jeep am nächsten Tag war da schon erbaulicher. Unvorstellbar heute, man konnte, ohne eine Menschenseele zu treffen, stundenlang durch herrlich grüne Landschaft fahren, Früchte pflücken, an einsamen Stränden ohne lästige Badekleidung im lauwarmen Meer planschen, die Haut von der Sonne verwöhnen lassen oder vom mitgefahrenen Ehegespons. Das Paradies auf Erden……
© Micaela Hemesath 2021-01-20