MeToo in Swingin‘ London

Story

1971, 6. Semester Englisch/Russisch-Lehramt. Wir waren 3 Kärntnerinnen, Yolanthe, genannt Joe, Heidrun und ich. Joe war die „weltmännischeste“.

Wir dachten, es wäre Zeit, einmal richtiges Englisch von richtigen Engländern zu hören. Wir wussten nicht, dass London dafür nicht unbedingt geeignet war. Joe hatte Jobs „gecheckt“. In einem zypriotischen Hotel in Bayswater. In Zypern standen die Zeichen auf Krieg, Türkei gegen Griechenland. Die alten reichen Zyprioten kauften für ihre schwarzgelockten Söhne, die sie nicht in den Krieg schicken wollten, Hotels in London. Hauptsächlich in Bayswater. Touristisch sehr günstig gelegen entlang des Hyde Parks.

Da landeten wir drei. Die Joe „checkte“ sich die Telefonzentrale. Da saß sie und steckte Kabel in Löcher an der Wand. So stellte man damals Telefonverbindungen her. Spektakulär wie sie da werkte, wie die Chefpilotin in einem Großraumjet. Heidrun wurde Zimmermädchen. Wenig spektakulär. Anstrengend. Mir sagte Joe: Fliag lei mit, fier di werma a noh was organisiern.

Wir kamen spät abends in Bayswater an. Es war taghell, der Teufel war da noch los. Daheim in Karntn wurden, zumindest für mich, spätestens um 20.00h die Gehsteige hochgeklappt. Papa sorgte dafür. Ich war entzückt. Von London.

Die erste Nacht verbrachten Heidrun und ich in einem Kellerloch. Personalzimmer. Joe hatte sich schon bei einem zypriotischen „Manager“ eingecheckt. Wir haben sie darob bewundert. Heidrun begann ihren harten Job, treppauf, treppab, von morgens bis abends, Unmengen von mehr oder weniger frischer Bettwäsche vor sich her tragend.

Ich „checkte“ mir eine Zeitung, da ich nicht Zimmer-mädchen (das ist als Verb gedacht) wollte. Schon beim ersten Anruf klappte es. Au-pair in einem jüdischen Haushalt in Swiss Cottage. Ich fuhr mit der U-nderground hin, lernte zwei entzückende Kinder kennen, Bub und Dirndl, und die Eltern dazu. Die hatten einen Gemüsestand irgendwo in der Gegend. Ich wurde eingewiesen und merkte sehr schnell – und zu meinem Erstaunen – dass ich gut mit Kindern konnte.

Am nächsten Morgen zeigte mir die Missis, was und wie ich den Kindern ihr Frühstück zubereiten und was ich im Haushalt machen sollte. Am zweiten Morgen übernahm die weitere Einschulung der Mister persönlich. Er würde etwas später kommen, sagte er der Missis. Er hätte noch was zu erledigen.

Er wollte mich gründlicher schulen in der Kunst des Zubereitens von real English Breakfast Tea & Banana Toast. Zu diesem Zwecke öffnete er seinen schmuddeligen Morgenmantel, schlich sich von hinten an mich heran, griff über meine rechte Schulter Richtung Tea Pot. Nein, leider, ich knallte ihm keine. Ich war zu perplex und erstarrte. Totstellreflex.

Die Watsch’n, die ich ihm hätte geben sollen, bekam ich am Abend von der Missis, die mein Geständnis nicht „goutierte“. Schrill hieß sie mich packen, öffnete die Haustür und entließ mich in die taghelle Londoner Nacht. Hinter mir weinten zwei Kinder bitterlich. Ich übrigens auch.

© 2020-07-23

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