von JuliaSivadi
Gerade mal 5 Wochen in Mexiko stand mein Ersatzeinsatz fest – Kreta. Dort sollte ich wiederum 3 Wochen danach hinjetten. Eines frühen Morgens – es sei betont, dass ich absolut kein Morgenmensch bin – wollte mich mein Chef in seinem Büro sprechen (nicht schon wieder, ich bin doch eh bald weg!?) Er setzte sich gemütlich in seinen pompösen Ledersessel mir gegenüber und holte aus: „Ich habe noch nie eine Person gekannt, die weiß, dass man sie hier nicht will und sie auch nicht bleiben wird und die ihre Zähne so zusammenbeißt und ihre Arbeit so gut macht wie Sie!“ Stille. War das ein Lob?? Sprachlos beobachtete ich, wie er eine kleine grüne Box aus seiner Schreibtischschublade beförderte – ein Abschiedsgeschenk? „PONS Sprachkurs Spanisch, 6 CDs“ stand auf dem Cover, er fügte hinzu: „Sie haben so toll gestartet und wenn Sie nun Ihr Spanisch noch verbessern, dann können Sie ja auch gleich hierbleiben. Sie haben 3 Wochen“, er zwinkerte und deutete mit dem Finger zur Tür. „Verbessern“ war ja wohl die Untertreibung des Jahres, ich konnte ja KEIN Spanisch, Verbessern von 0 = 0, aber ihr vermutet es wahrscheinlich… Ich blieb und lernte Mexiko kennen und lieben. Ein vielfältiges Juwel, reich an Kultur, Essen (32 Bundesstaaten mit eigenen Gerichten), Leuten (mein Mann ist mexikanischer Export) und sogar an klimatischen Gegebenheiten – von Schnee, Sonne, Tropen, Subtropen, Hitze, Kälte, Hurrikans alles dabei. In den 2,5 Jahren, die damals folgten, erlebte ich auch 2,5 Hurrikans (Emily zählt mit Stärke 2 nur halb). Wilma fegte mit Stärke 5 über Cancun hinweg und war ein richtiger Jahrhundertsturm. Angefangen bei Evakuierungen der Hotels, Unterbringung aller Gäste (und mir) in Notunterkünften, Austritt von Gas, kaum noch Essen nach 5 Tagen Weltuntergangsstimmung und natürlich auch kein Kontakt zur Außenwelt (kein Strom, Telefon, Fax – nichts…). Der Flughafen-Tower und die meisten Hotels waren dem Höllensturm zum Opfer gefallen, auch an unserem fehlte fast die gesamte Hinterseite ab dem 6. Stock, Türen waren aus ihren Angeln gerissen, Fenster zerborsten, Anzeigetafeln hingen wie Bettlaken in der Mauer und Straßenlaternen und Palmen lagen kreuz und quer über die Straßen. Das Zielgebiet wurde komplett evakuiert. Aber ein Gast fehlte… Ich konnte es nicht glauben, als der Hoteldirektor der Notunterkunft mir mitteilte, dass ein reallokierter Gast auf sein gebuchtes All inclusive bestand, handgreiflich wurde und daher von der Polizei mitgenommen wurde. Leute, ihr wollt NIE, wirklich NIE in ein mexikanisches Gefängnis, nicht mal zu Besuch! Und da stand ich nun, strohblond, keine 50 kg schwer, ein unsicheres Lächeln im Gesicht und 7000 Dollar in bar als Auslöse in der Hand und wartete. Eine gefühlte Stunde später war mein Auftrag erfüllt und ich hatte einen absolut uneinsichtigen, nörgelnden jungen Mann an meiner Seite, der sich tatsächlich beklagte, dass ihm seine Uhr geklaut wurde. Es hätte echt (nicht) schlimmer kommen können!!!
© JuliaSivadi 2020-10-08