von Ulrike Nikolai
Auf dem Schulhof liefen einige Kinder sofort zu Mia, als sie durch die Schultür nach draußen kam. Ihre zwei besten Freundinnen hatten sogar schon an der Tür auf sie gewartet. Sie sahen, dass Mia Tränen in den Augen hatte.
– Was hast du eigentlich? fragte Frida, die sich genauso für Pferde interessierte wie Mia. Ist es, weil du kein Pferd bekommst?
– Nein, sagte Mia unter Tränen. Ich habe doch schon ein Pferd. Das weißt du doch. Nein, es ist ja nicht meins, aber ich liebe es so, als wäre es meins. Und das hat jetzt die Mondkrankheit.
– Die Mondkrankheit? fragte Paula. Was ist das denn?
– Irgendwas mit den Augen. Vielleicht wird sie sogar blind, erklärte Mia unter Tränen.
– Aber dann kannst du ja gar nicht mehr auf ihr reiten, sagte Paula, die überlegte, was denn der Mond mit den Augen eines Pferdes zu tun haben könnte.
– Ich halte das nicht mehr aus, schluchzte Mia. Heute soll Luna nämlich operiert werden.
Sofort wurde sie von beiden Seiten von Frida und Paula umarmt. Sie spürten Mias Sorge.
– Komm, wir bleiben jetzt so lange an deiner Seite, bis die OP vorbei ist, okay? sagte Paula mitfühlend, während sie Frida fest in die Augen schaute, bis diese zustimmte: Ja, das machen wir. Dann bist du nicht allein mit deiner Sorge.
Mia war gerührt. Jetzt musste sie noch mehr weinen, aber es war ihr egal. Als es klingelte, kam die Lehrerin, um die Klasse abzuholen. Sie sah schon, dass Mia zwei tröstende Begleiterinnen gefunden hatte.
– Frau Hübner, fragte Paula über die Köpfe der anderen hinweg, dürfen wir bis Schulschluss neben Mia sitzen?
– Das ist eine gute Idee, antwortete die Lehrerin. Klar dürft ihr das!
So fühlte sich Mia ein ganz kleines bisschen besser, denn zwei Freundinnen, die die Sorgen mit einem teilen, tun der Seele gut.
Auch auf dem Heimweg blieben Paula und Frida an Mias Seite. An Paulas Haus mussten sie eine kurze Pause machen, denn Paula hatte einen kürzeren Schulweg und musste erst fragen, ob sie mit Mia mitgehen dürfe. Frida wohnte noch ein Stück weiter den Berg hoch. Sie kam sowieso bei Mia vorbei. Mia klingelte an der Haustür. Mama war gerade nicht zuhause. Sie war wohl noch unterwegs, um Mias Bruder Linus aus dem Kindergarten zu holen. Mia hatte für den Fall einen Schlüssel dabei und nahm Frida und Paula mit ins Haus. Sie zogen alle drei die Schuhe aus und gingen die Treppe hoch in Mias Kinderzimmer.
– Ich muss aber gleich zuhause anrufen, sagte Frida, sonst macht Mama sich Sorgen um mich. Sie weiß doch, dass ich nur fünf Stunden hatte.
– Kein Problem, sagte Mia. Und dann klingelte es … nicht an der Haustür …
© Ulrike Nikolai 2023-09-05