von LoPadi
Vor Kurzem, als mich jemand fragte, ob ich heiße oder kalte Milch zum Kaffee nehme, fiel mir prompt eine Geschichte aus meiner Kindheit ein.
Die Milch kam vom eigenen Hof und frisch von der Kuh. Sie wurde in einem weißen Krug aus Steingut im Kühlschrank aufbewahrt. Wenn ich sie vor dem Frühstück herausnahm, schwamm an der Oberfläche eine fette Rahmschicht. Die war ein bisschen gelblich und wenn man den Krug ein wenig schüttelte, bildeten sich interessante sonnengelbe Muster. Dann durfte ich mit dem Kochlöffel so lange umrühren, bis die Sonnenmuster vollständig verschwanden. Danach schüttete meine Oma die Milch in einen Kochtopf und stellte diesen in die Mitte des riesigen holzbefeuerten Herdes.
Mit ernster Miene sagte sie: „Du bleibst jetzt da stehen und passt auf, dass die Milch nicht überkocht!“ Da stand ich nun mit meinen acht Jahren und 128 Zentimetern und hatte Mühe, in den Topf zu schauen. Ich reckte meinen Hals, um nur ja nichts zu versäumen und um zu sehen, wenn die Milch ‚stieg‘. Es gab immer eine gewaltige Schelte und wahrscheinlich auch eine hinter die Ohren, wenn ich diese verantwortungsvolle Tätigkeit nicht mit aller gebotenen Sorgfalt erledigte. Und das tat ich, denn die Angst saß mir im Nacken. Die Milch war tückisch. Wenn ich mich auch nur einen winzigen Augenblick ablenken ließ, schlug sie zu. Die entwickelte ein perfides Eigenleben und stieg rasend schnell am Topf empor. Sie bildete ganz oben eine große Blase. Sobald die platzte, ergoss sich die fette Milch über den Topfrand auf die heiße Herdplatte. Sofort bildete sich eine braune Kruste, die erbärmlich stank. Es roch nach Versagen und Ärger. Daran wollte ich lieber gar nicht denken. Wir Kinder hatten damals noch unglaublichen Respekt vor der Strenge der Erwachsenen.
Also schaute ich wie hypnotisiert und wartete den kritischen Zeitpunkt zwischen dem Kochen und dem Steigen der Milch ab. Genau in diesem Moment würde ich den Topf ruck zuck vom Herd ziehen und der Oma freudestrahlend verkünden. „Jetzt ist sie fertig“. Und die Oma würde sagen: „Dann bring sie zum Tisch!“ Dort warteten die Männer mit ihren Kaffeehäferl und schenkten sich Kaffee ein. Darauf gossen sie die dampfend heiße Milch. Ein Stück Bauernbrot mit Butter oder gekochte Polenta mit Marmelade dazu, und alle waren zufrieden. Ich auch. Zufrieden über meine tadellose Leistung.
Erleichtert setzte ich mich und weil ich so brav gewesen war, bekam ich von der Oma einen kleinen Schluck Kaffee mit ganz viel Milch. Die Mischung war noch immer heiß. Mund und Zunge wollte ich mir nicht verbrennen, also wartete ich. Und dann passierte es. Auf dem schönen hellbraunen Milchkaffee bildete sich eine dünne, runzelige Haut. Grauslich! Beim Umrühren blieb der Hautfetzen am Löffel hängen. Mir grauste noch mehr. Vorsichtig zog ich den Löffel aus dem Häferl und streifte die Haut auf einen Teller ab. „Wäh“, sagte ich. Großes Gelächter.
Da schwor ich mir, wenn ich groß bin, gibt es nur kalte Milch zum Kaffee.
© LoPadi 2019-04-11