von Barbara Neubauer
Minas GĂŒte ist unermesslich. Sie sieht die Schönheit, Brauchbarkeit und BestĂ€ndigkeit in allen Dingen. Ihr Mann Oliver neckt sie manchmal liebevoll und behauptet, dass Mina aus wirklich allem noch einen Blumentopf bastelt. So werden leere Eierkartons und Klopapierrollen bei ihr zu Anzuchttöpfen. In den Boden eines aufgebrauchten Joghurtbechers sticht Mina ein paar Löcher, damit er als Innentopf fungieren kann. Und eine alte Konservendose bemalt sie zu einem bunten Ăbertopf. Auch in eine Zuckerdose Nr. 20 der Lilienporzellan-Serie Menuett âNoblesseâ in grau-weiĂ, deren Deckel bereits verloren gegangen ist, hat Mina einen ElefantenfuĂ hinein gepflanzt. Die dĂŒnnen, flachen BlĂ€tter sehen wie die Frisur eines Fraggles oder wie ein kleiner, grĂŒner Springbrunnen aus.
Minas Blumentöpfe fĂ€rben das ganze Haus bunt. In jedem Zimmer gibt es etwas zu entdecken, das beinahe im MĂŒll gelandet wĂ€re. Bei ihr haben Verpackungsmaterialien und beschĂ€digte GefĂ€Ăe wieder eine neue Aufgabe und sehen dabei auch noch hĂŒbsch aus. Die Blumen fragen nicht nach neuen Töpfen, sie wachsen auch in den improvisierten sehr gut. Alte Tontöpfe mit Rissen verwendet Mina anderwertig weiter. Entweder befĂŒllt sie die Töpfe mit Stroh und hĂ€ngt sie verkehrt herum in die Hecken, um den OhrwĂŒrmern ein Zuhause zu schenken oder die Tonscherben werden zur Drainageschicht in einem PflanzenkĂŒbel.
Die Ideen hören lĂ€ngst nicht bei den Blumentöpfen auf. Mina stellt Teelichter in leere Pesto- oder MarmeladeglĂ€ser, die sie kein weiteres Mal zum Einkochen oder Konservieren verwenden will. Aus einem ausgedienten Leintuch, das in der Mitte etwas durchgewetzt war, hat sie die Randstellen verwendet, um daraus Stoffservietten zu nĂ€hen. Zu deren Verschönerung hat Mina kurzerhand einen Erdapfel halbiert, jeweils mit einer Keksform ein Herz herausgestochen, bunt bemalt und auf die Servietten gedruckt. Oliver hat ihr dabei geholfen und freut sich auch darĂŒber, dass ihre Servietten eine Geschichte haben.
Minas Projekte erzĂ€hlen vom Wert der Dinge, von ihrer Einstellung zur Umwelt, ihrer Sozialisation und ihren Wertvorstellungen. Sie ist in einer Zeit aufgewachsen, in der GegenstĂ€nde zuerst mehrfach repariert wurden bevor sie entweder trotzdem aufgehoben oder doch â wenn auch nur zögerlich â weggegeben wurden. Jeder VerpackungsmĂŒll schaut sie fragend an: âMachst du etwas aus mir?â Mina kann selten âNeinâ dazu sagen. Sie sieht das Potenzial, die Brauchbarkeit und die QualitĂ€t der Dinge. Mina erfĂŒllt es mit Freude, etwas nicht wegzuwerfen, sondern zum Beispiel einen Blumentopf daraus zu machen. Ein Zuhause fĂŒr ein Lebewesen. Es ist ihr egal, wenn sie jemand dafĂŒr aufzieht, dass sie auch den hĂ€sslichsten Dingen noch einen Wert beimisst. Die Freude und Zufriedenheit ĂŒberwiegen immer, wenn sie etwas weiter verwenden kann.
© Barbara Neubauer 2021-06-29