Mir hat die Sache von Anfang an…

Manfred Sommersgutter

von Manfred Sommersgutter

Story
St. Gilgen


Mir hatte die Sache von Anfang an nicht gefallen. Der Wind wechselte ständig die Richtung, aber was noch schlimmer war, zeitweise schlief er fast ganz ein. Viele waren deswegen schon ein wenig frustriert. Extra die Bergfahrt bezahlt und dann das! Dabei hätte die Wettervorhersage für diesen Sonntag genau gepasst. Man fährt schließlich für das kurze Vergnügen nicht jeden Tag extra eine so weite Strecke mit dem Auto. Ein paar Leute hatten den Start schon versucht, sind losgelaufen und mussten ihn doch gleich wieder abbrechen.

Nur einer, ein ganz junger Draufgänger, zog es durch, schaffte es ganz knapp und kam tatsächlich heil unten an. Die meisten hatten schon alles am Berghang schön ausgebreitet, die Schnüre kontrolliert, die Gurten festgezogen, den Helm aufgesetzt und den Fußsack vorbereitet. Es dauerte über eine Stunde, bis der erste Starter wieder heroben war. Begeistert rief er uns zu: „Da drüben ist’s super. Ganz links müsst ihr fliegen! Da ist ein ganz steiler Abhang, eine Felskante, dahinter habt ihr einen super starken Aufwind.“

„Na ja, probieren wir’s aus“, dachten sich sicher fast alle. „Besser als zusammenzupacken und mit der Gondel wieder hinunterfahren zu mĂĽssen“. Die Talfahrt wäre auch noch extra zu bezahlen gewesen. Das wollte keiner, fĂĽhlt es sich doch wie ein totales Versagen an. Der Ehrgeiz spielt da schlieĂźlich auch stets kräftig mit!

Als der Wind gerade etwas stärker wird, reiĂźe ich sofort den Schirm in die Höhe und – er steht gut in der Luft. „Jetzt rennen, was das Zeug hält“, sage ich mir, und tatsächlich, ich hebe ab und fliege. „Nun die linke Schlaufe so fest wie möglich nach unten ziehen“, die Richtung passt, es fĂĽhlt sich super an! Kaum denke ich, „wie gut, dass der Typ es uns geraten hat“, da wird es auch schon knapp. Ich sinke tiefer, ich muss den Schlepplift ĂĽberfliegen. Dessen Seile sind so verdammt knapp unter meinen FĂĽĂźen, dass ich die Beine so hoch wie möglich anheben muss. Es geht sich ganz knapp aus, ich bin darĂĽber, Gott sei Dank!

Aber da sehe ich plötzlich noch eine hohe Fichtenreihe vor dem steilen Abhang. Ich spüre immer noch sehr wenig Wind in meinem Gesicht. Ich muss eine Lücke finden, zwischen zwei Fichten durchfliegen. Obendrüber geht es sich nicht mehr aus. Ich sinke ständig tiefer, umkehren ist unmöglich, der Lift ist im Wege. Jetzt verspüre ich Angst. Es wird mir heiß. „Warum muss ich auch unbedingt gleich starten, kann ich nicht noch einem oder zwei Leuten zuschauen, abwarten, ob und wie es bei ihnen funktioniert?“, schießt es mir durch den Kopf. Ich ärgere mich, fluche über meine Leichtsinnigkeit. „Es muss gehen, der Felsabhang wird mich retten“, bläue ich mir ein.

Ich bin bereits tiefer als die Baumwipfel, die Lücke ist schmal, sehr schmal. Ich halte die Luft an, die Äste kommen auf mich zu, ich schließe reflexartig die Augen. Da spüre ich einen fürchterlichen Ruck, die Sitzgurten schnüren schmerzhaft stark die Leisten ein und ich hänge mit meinem Paragleiter an einem Baumwipfel fest.


© Manfred Sommersgutter 2025-03-14

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Spannung & Horror
Stimmung
Abenteuerlich
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