von Stella
âDas wĂŒrde ich anders machen!â lautete sein Standardsatz, wenn ich ihm etwas zum Gegenlesen vorlegte. Das war in meinem ersten Job nach der PR-Ausbildung in der Abteilung Innovationsmanagement in der Zentrale eines Warenhauskonzerns. Ende der Neunziger eine Art Multimedia-Forschungslabor zur Entwicklung von Info-Terminals fĂŒr Kunden in den Filialen. Das Internet steckte noch in den Kinderschuhen.
Der Kommentar âDas wĂŒrde ich anders machen!â gab der EnttĂ€uschung meines Kollegen Ausdruck, dass ich nicht die Entlastung fĂŒr ihn war, die er sich vorstellte. Ich war ihm als Assistentin zugeteilt. Er war IT-Experte. Ich konnte mit Texten umgehen. Das hĂ€tte sich gut ergĂ€nzen können. Tat es aber nicht.
Was macht man, wenn man jemanden loswerden will? Man gibt ihm eine Aufgabe, die nicht lösbar ist. Also schickte mich mein Kollege auf ein Himmelfahrtskommando. Ich wusste noch so gut wie nichts von den labyrinthischen Strukturen und geheimen Codes des groĂen Konzerns. Aber eins war schnell klar: Filialleiter musste man mit Samthandschuhen anfassen, Leiter des Zentraleinkaufs waren die ungekrönten Könige und VorstĂ€nde schlichtweg Götter.
Eine Delegation dieser göttlichen Handelsvertreter wollte sich in einer Vorzeigefiliale von der Innovationskraft ihres Unternehmens zu ĂŒberzeugen. Das reibungslose Funktionieren der Technik vor Ort sicherzustellen, war eigentlich Chefsache. Dass mein Kollege mich vorschickte, war kein Zufall. Denn die meisten Terminals waren die HĂ€lfte der Zeit auĂer Betrieb.
Kollege Hunter fuhr am gleichen Tag mit in die Filiale. Er war amerikanischer Elitestudent aus reichem Haus und absolvierte sein praktisches Jahr in der Abteilung. FĂŒr ihn war das Ganze ein Spiel. Hunter war Dauergast im Luxushotel und nahm mich in seinem Range Rover mit. Die Karosse verfĂŒgte ĂŒber ein damals noch extrem seltenes Car Navigation System. Leider hatte Hunter es anscheinend auf âlandschaftlich schönste Streckeâ eingestellt. Wir fuhren durch herrliche Gegenden, die ich noch nie gesehen hatte. Brauchten aber mindestens die doppelte Fahrtzeit.
Ich sah derweil die VorstĂ€nde schon vor toten Bildschirmen stehen. Hunter hatte die Ruhe weg. Nach gefĂŒhlten Ewigkeiten in der Filiale angekommen, erfĂŒllte sich meine Schreckensvision. Etliche Terminals waren auĂer Betrieb und auch beim besten Willen kurzfristig nicht mehr ans Laufen zu bringen. Die Datenbanken und Server nicht verfĂŒgbar. Ich telefonierte panisch mit Dienstleistern. Hunter soufflierte. Er wusste erschreckend genau, wie man Dienstleistern die Verantwortung in die Schuhe schiebt und den eigenen Kopf noch aus der Schlinge zieht.
Aber kurz vor dem Eintreffen der VorstĂ€nde war klar: Mission impossible. Ich musste den Filialleiter informieren, um welche Terminals er mit dem Vorstand einen möglichst unauffĂ€lligen Bogen machen mĂŒsse. âDas wĂŒrde ich anders machen!â stand in scharlachroten Buchstaben auf meiner Stirn geschrieben.
© Stella 2019-05-15