„… schitt!“. Hatte ich mich verhört? Ein Ausdruck, der mich jetzt nicht unbedingt irritierte, den ich aber bis dato nicht von meiner Schwiegermutter gehört hatte. Sie besitzt einfache Englisch-Kenntnisse und noch viel mehr: Anstand und den Drang zur Reinlichkeit. Somit hat dieser schmutzige Begriff definitiv keine Aufenthaltsgenehmigung in ihrem gepflegten Wortschatz. Ich saß auf der neuen Bank im Eck – früher stand hier die Eckbank – und blickte von meinem Buch auf, um zu sehen, was sie zu diesem verbalen Ausrutscher veranlasst hatte.
Ich konnte an der Szene nichts Aussergewöhnliches entdecken. Sie stand am Herd, ihre Handgriffe waren koordiniert und ruhig, nichts war übergelaufen, im Topf köchelte das zarte Fleisch des Moorochsen.
Im Hintergrund lief der regionale Radiosender. Der Jingle der Nachrichten verdrängte die letzten Töne der Schlagerkönigin des Jahres.
„Das Wetter: von Norden her erreicht uns in den kommenden Stunden die nächste Kaltfront mit starken Windböen. Heftige Schauer gehen derzeit über das östliche Hügelland nieder“
„Sag ich ja!Es schitt!“ wiederholte meine Schwiegermutter. Mein Blick wanderte zum Fenster. Draussen schienen sich die meteorologischen Prognosen zu bewahrheiten. Es schüttete wie aus Eimern.
Shit! Da fiel mir ein, sie hatte mich schon vor Stunden gebeten, die Wäsche im Garten von der Leine zu nehmen. Wenn das bloß keine Auswirkungen auf unser Gesprächsklima hat.
© Sanem Keser-Halper 2020-10-21