Mit Heiligen wandern

Christine Sollerer-Schnaiter

von Christine Sollerer-Schnaiter

Story

Heute begeben wir uns auf den Weg der Heiligen, entlang dem Bodmin Moor. The Saints Way folgt dem wahrscheinlichen Weg frühchristlicher Reisender, die von Irland auf den Kontinent reisten – bis Rom!

Der Weg führt zwischen lichten Laubwäldern und Hecken von Brombeerstauden – willkommene Nascherei im Vorbeigehen – hindurch; zum Teil auf altem Kopfsteinpflaster, dann aber wieder durch erdige, schlammige Pfade. Alte Granitstelen, keltische Hochkreuze und hölzerne Wegweiser zeigen den Weg.

Es ist neblig, es nieselt, es ist genau die richtige Stimmung für das Moor und seine schaurigen Geschichten. Mit etwas Fantasie kann man schleierhafte Gestalten erkennen und in der Ferne den Hund von Baskerville bellen hören.

Aber viel mehr taucht man in keltische Mythen ein. Auf den Erhebungen, die hier Tor heißen, befinden sich alte Heiligtümer und Pilgerstätten seit der Jungsteinzeit. Jetzt ein völlig menschenleeres Gebiet, spielte sich damals das Leben auf diesen Hügeln ab.

Ich stehe auf dem Gipfel des Helman Tor, von dem man weit über die Steinformationen und das Moor schauen kann. Die Nebelwolken verschleiern die Landschaft, lichten sich wieder, geben einen Ausschnitt frei und verändern die Sicht wie einen vorbeiziehenden Film. Der Gedanke, dass dies ein Opferplatz war, dass sich hier steinzeitliches Leben abgespielt hat, ist erhebend. Gerundete Felsen liegen wie Riesenspielzeuge im mystischen Nebel, manche bizarr balancierend über- und untereinander; dort und da sind Gravuren zu erkennen wie ein altes eingraviertes Kreuz. Dazwischen Farne, Ginsterbüsche, Heidekraut, Moose und Flechten. Ich bin in einer anderen Welt.

Bodmin Moor wurde als Area of Outstanding Natural Beauty eingestuft.

Die letzte Wegstrecke wird meditativ – gleichmäßig dahintrottend im Nieselregen wie es sich für Heilige auf dem Pilgerweg ziemt. Meine Kleidung ist feucht und ich dampfe in den spärlich durchkommenden Sonnenstrahlen wie ein Ross. Die Ginsterhecken zu beiden Seiten erlauben nicht viel Sichtweite. By the way – when the ghorse is in blossom it’s kissing time. Aber wen jetzt küssen? Der englische Ginster blüht das ganze Jahr über, soll heißen – es ist immer die richtige Zeit zum Küssen.

Die Landschaft öffnet sich. Wir passieren Felder mit weidenden Kühen – sie nehmen keine Notiz von uns. Da taucht wie eine Fata Morgana ein Turm mit vier Ecktürmchen und acht Glocken aus dem Nebel auf. Wir nähern uns Lanhydrock.

Neben der alten Steinkirche und den keltischen Granitkreuzen steht ein ebenso altes Cottage-Pub – meine Rettung! A pint of stout and good old Cottage pie wecken noch einmal die Lebensgeister, um das wirklich sehenswerte Lanhydrock zu besichtigen

Nach acht Stunden auf den Füßen in den Bus steigen und dann im Hotel wieder unendlich viele Stufen in den 4. Stock und dann nach einem heißen Ölbad aufs Bett fallen – der Himmel auf Erden. Kein Pub-besuch mehr am Abend! Kein Francis Fulton-Smith! Keine Geister! Keine Träume – nur schlafen!

© Christine Sollerer-Schnaiter 2021-05-06