von FranzForFuture
„Die folgende Nacht verbrachten sie in der Schmiede von Petershain auf dem Heuboden; dort geschah es, dass Krabat zum erstenmal jenen seltsamen Traum hatte.“
Ich lauschte gebannt. Ich war 15 Jahre alt, ungefähr so alt wie dieser Krabat, der Protagonist der Geschichte, und damit der jüngste Zuhörer im Auditorium Maximum der Pädagogischen Akademie in Salzburg. Mein Vater, Jugendbuchreferent, hatte Otfried Preußler eingeladen und dieser las mit seiner markant sonoren Stimme aus seinem 1971 erschienenen Buch.
„Elf Raben saßen auf einer Stange und blickten ihn an. Er sah, dass ein Platz auf der Stange frei war, am linken Ende. Dann hörte er eine Stimme. Die Stimme klang heiser, sie schien aus den Lüften zu kommen, von fernher, und rief ihn bei seinem Namen.“
Eine unheimliche Faszination ging von diesem Buch aus. Eine Stimme ruft dich. Von weit her. Im Traum: Mach dich auf den Weg. Traue deinen Träumen. Gehe deinen Weg ins Leben.
Unzählige Male habe ich es seither gelesen und so sieht das Buch auch aus. Aber es mir teuer, nicht zuletzt wegen der persönlichen Widmung des Autors. „Krabat“ nahm mich mit. Mit Krabat hatte ich Spaß, mit Krabat hatte ich Angst, wie Krabat erlebte ich, wie manches stirbt, sterben muss. Ich spürte in mir: So ist das Leben.
“Die Mühle!” rief er, die Hände zum Trichter geformt. “Nun mahlt sie wieder!”
Seit frühester Kindheit faszinieren mich Wassermühlen. Der Vater meines Vaters war Müller. Zwar war seine Mühle bei meiner Geburt schon nicht mehr vorhanden, aber dennoch mahlt sie noch in mir. Im “Krabat”: Ein Sinnbild der Ordnung, aber auf tönernen Füßen. Eine mit der Kraft des Wassers und durch viele Hände gut laufende Maschinerie, aber sie bietet keine Sicherheit. Das Leben ist kein Ponyhof und kein Kindergeburtstag. Eine Mühle eben, zuweilen eine Tretmühle, oft glücklicherweise leichtgängig, routiniert funktionierend.
Und noch jedes Mal hatte ich, am Ende des Buches angekommen, Tränen in den Augen. Das Mädchen, es bleibt namenlos. Dennoch ist sie die eigentliche Heldin des Buchs. Sie ruft mir immer wieder in Erinnerung, was wahre Liebe kann.
© FranzForFuture 2021-10-21