Mit Schampus in das neue Jahr

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von Aroundtheworld

Story

Als Kinder fieberten wir immer Silvester entgegen, nicht, weil wir unbedingt ein neues Jahr haben wollten, sondern weil es bei uns die schöne Tradition von Rummelpottlaufen gibt. An Rummelpott durften wir uns verkleiden und von Tür zu Tür gehen, ähnlich wie an Halloween. Der große Unterschied zu Halloween jedoch ist, dass man nur, wenn man ein Lied singt oder ein Gedicht aufsagt, eine Belohnung bekommt. Außerdem lag der Schwerpunkt der Kostüme nicht im Gruselbereich, sondern man wollte besonders süß oder hübsch sein und so vielleicht noch etwas mehr Süßigkeiten bekommen, als sowieso schon. Nicht überall gab es Schokolade, manchmal gab es sogar 30 oder gar 50 Pfennig, die dann in einer Spardose landeten, weil man sich vielleicht später etwas kaufen konnte.Meine Schwester und ich bekommen immer viele Süßigkeiten, denn so süßen Zwillingen (die wir gar nicht waren), die sogar auf plattdeutschen sangen oder Gedichte aufsagten und dazu noch dünn wie eine Bohnenstange waren, hatten wir einen entscheidenden Vorteil anderen Kindern gegenüber. Hinzu kam, dass unsere Mutter uns jedes Kostüm in liebevoller Handarbeit schneiderte.Am Ende wurden die Süßigkeiten und das Geld gerecht von uns geteilt. Alles, was unverpackt war, durften wir nicht essen und so fieberten sicher auch unsere Hühner jedes Jahr dem Neujahrstag entgegen, wenn es etwas Süßes gab. Uns störte es nicht, gab es ohnehin viel zu viele Süßigkeiten, die wir gar nicht so schnell essen konnten, wie viele unserer Spielkameraden. Für uns war es auch der Spaß, den wir trotz aller Nervosität hatten, viel mehr wert, als jede Süßigkeit.Bevor wir nach Hause gingen, ging es immer zu unseren Großeltern, für die wir immer etwas ganz Besonderes auf Platt einstudiert hatten. Meistens gingen wir sogar getrennt, damit unsere Oma sich zweimal freuen konnte. Danach war es an unserem Opa, uns zu beschenken. Ein paar Raketen, die zur Sicherheit aus einer Glasflasche, die in Getränkekiste stand oder im Boden eingegraben war, wurden in den Himmel geschossen und danach kam das Highlight: Mein Opa hatte immer eine Konstruktion gebaut, an dem eine sogenannte Sonne befestigt war. Es war eine runde Scheibe, die sich im Kreis dreht, weil die Funken immer von einer anderen Stelle kamen. Wir standen stets mit offenen Mündern da und hofften, die Sonne würde stundenlang Funken sprühen.Ein Jahr bot meine Mutter jedoch noch etwas mehr Besonderheit. Ich hatte irgendwo gehört, dass man zu Silvester Champagner trinkt und so stellte meine Mutter uns ein richtiges Champagnerglas mit einem kleinen Schluck Champagner hin. Was soll ich sagen? Wir schüttelten uns so stark, dass meine Abneigung gegen Champagner bis heute geblieben ist, aber ich fühlte mich ganz besonders, denn ich durfte mit meiner Mutter mit Schampus auf das neue Jahr anstoßen.

© Aroundtheworld 2023-01-11