Mittwoch

Penelope_Davis

von Penelope_Davis

Story


Ich denke, es war ein Mittwoch, an dem ich endgültig verstand, was es heißt, allein zu sein. Nach einem aufbrausenden, emotionalen und letztendlich niederschmetternden Dienstagabend, war nun endlich Mittwoch. Der kühle Wind umwehte mein Gesicht, als ich so saß und vor mich hinstarrte. Nicht der kleinste Funken von Emotionen war mehr übrig. Innerlich tot und halb erfroren saß ich da und fühlte in mich hinein. Leere. Keine Trauer, keine Wut. Tabula rasa. Es fühlte sich an wie ein Neubeginn aber ohne den Zauber, der dem Ganzen normalerweise innewohnt. Es glich eher dem Gefühl, in absoluter Fremde ausgesetzt zu werden: Kein Ziel, auf das man zugeht. Keine Richtungsvorgabe. Eigentlich hätte es die pure Überforderung sein müssen. Aber es herrschte nur Leere. Ein trauriger Zustand der Gewissheit; nur eben ohne die Trauer. Von ihr war rein gar nichts mehr übrig, sie war einfach aufgebraucht. Mein Gesicht war starr vor Kälte und mein Blick haftete am grauen Himmel. Weit weg von all dem hier. Es ist seltsam, so komplett leer zu sein und doch hat es etwas Friedliches, wenn man bedenkt, wie intensiv das letzte Jahr war. In meiner ziellosen Stille merkte ich gar nicht, wie die Zeit verflog. Bei jedem Schluck aus meinem Becher breitete sich ein wohlig warmes Gefühl in mir aus. Erst in meinem Mund, dann in meiner Kehle und zum Schluss im Magen. Doch es verflog ganz schnell wieder. Irgendwann kühlt immer alles aus. So wurde es mir gesagt. Die Hitze, die Wärme, sie bleiben nicht. Verschwinden, wenn sie aufgebraucht wurden. Es lief mir eiskalt den Nacken herunter. Nein, nicht im übertragenen Sinne: Es schneite. Die Flocken landeten in meinem Pullover und brachten mich dazu, mich ein Stück zu bewegen. Ein schnelles Lächeln huschte über mein Gesicht, doch so plötzlich wie die minimale Freude kam, war sie auch schon wieder verschwunden. Immer ist es so. Alle kommen zu Besuch, Menschen, Gefühle, Jahreszeiten, aber niemand bleibt. Keiner hat Zeit zu bleiben. Keiner hat Lust zu bleiben. Denn das würde Arbeit bedeuten; ankämpfen gegen Umstände, die einem keine ideale Lebensumgebung bieten. Wenn es ungemütlich warm wird, verzieht sich der Winter eben. Ganz einfach, ganz leicht. Aufgeben ist immer leicht. Allein sein ist leicht. Und das war ich jetzt: Hier, allein und leer im Kalten. Doch das war ok. Ich habe das gebraucht. Einen Weckruf. Jemanden, der mich wachrüttelt. Nun bin ich bereit, mich wiederzufinden, weil ich mich wachgerüttelt habe. In diesem Moment bewegte sich die Tür. Schritte, Worte, besorgte Blicke. Dann wieder Schritte. Ich rutschte auf dem Polster zur Seite. Wieder Schritte und die Tür. Stille. Vertraute Stille. Tröstende Stille. Worte. Warme Worte. Ein Arm, Geborgenheit. Und auf einmal war ich in meiner eiskalten Stille nicht mehr allein. Dieser Geruch, das Verständnis, die Wärme. Alles war so vertraut. Hoffnung, das war es, was mich wieder fühlen ließ. Es war immer noch kalt und still, doch erträglich. Die ohrenbetäubende Leere hatte ein Ende. Ich konnte mich anlehnen. Immer wieder ein Stück mehr fühlen, immer wieder ein kleiner Erfolg. Abschied. Schritte. Doch die herzliche Wärme bleibt noch. Endlich waren auch meine eigenen Schritte zu hören und ich schloss die Tür hinter mir.


© Penelope_Davis 2025-08-02

Genres
Romane & Erzählungen