Mohn-Amour

Sonja M. Winkler

von Sonja M. Winkler

Story

Das Waldviertel hat was. Die Landschaft macht auch was her, wenn es einen nicht stört, dass alles so weitlÀufig ist. Vielerorts hört man ja, der Boden sei karg und das Klima rau. So hat das Waldviertel einen sehr eigenen Menschenschlag hervorgebracht, zÀh, bodenstÀndig und erstaunlich erfindungsreich. Die Menschen trotzen dem Boden alles ab, was er hergibt. Vor allem ErdÀpfel und Mohn. Erpfi und Mogn.

Der Vergleich nach Ă€sthetischen Kriterien fĂ€llt eindeutig zugunsten des Mohnes aus, ist doch so eine Mohnkapsel ein Ă€ußerst Ă€sthetisches Gebilde, dessen Form mich schon als Kind faszinierte. Eine Mohnkapsel hat die Rundungen einer auf den Kopf gestellten Zwiebel, nur mit einem zierlichen Krönchen obenauf. Da kann so eine unförmige erdige Knollenfrucht nicht mithalten. Aber ohne mehlige ErdĂ€pfel wiederum gĂ€b’s keine Mohnzelten.

Zur Zeit der MohnblĂŒte durchs Waldviertel zu fahren ist eine Wohltat fĂŒrs Auge. Ich mag den Rotton des Klatschmohns. Die Mohnfelder, an denen wir jetzt vorbeifuhren, prĂ€sentierten sich jedoch ĂŒberwiegend in zarten Rosa- und Lila-Nuancen. Eine wahre Augenweide.

Ich nahm alles in Beschlag, was auf –schlag endet, das Mohndorf Armschlag und den Mohnhof nahe Ottenschlag.

Dort lernte ich allerhand ĂŒber diese uralte Kulturpflanze. Dass es unzĂ€hlige Sorten gibt, aber im Mittelater zwei unterschieden wurden (eʒ ist zwaierlai mĂągen: ainer ist weiʒ und der ander swarz). Dass das Waldviertel berĂŒhmt ist fĂŒr seinen Graumohn. Dass der Samen zum Festtag der heiligen Gertraud, am 17. MĂ€rz, ausgesĂ€t wird und nach 123 Tagen BlĂŒten treibt. Dass Mohnsamen nur eine ganz dĂŒnne Erdschicht ĂŒber sich dulden, weil Mohn ein Lichtkeimer ist. Dass die PflĂ€nzchen sogar Minustemperaturen aushalten. Dass Mohn gequetscht wird, nicht gemahlen. Dass der gequetschte Mohn sofort verwendet werden soll, sonst wird er ranzig. Dass die Pressklumpen Verwendung finden in der WildfĂŒtterung und Hackschnitzelheizung. Das beeindruckt mich.

Um den Mohn ranken sich viele Mythen. Der Sage nach soll sich Demeter, die Göttin des Ackerbaus, in einen Sterblichen mit Namen Mekon verliebt haben. Demeter grĂ€mte sich, weil ihre Tochter Persephone von ihrem Vater im Hades gefangen gehalten wurde. Obwohl ihr Mekon die RĂŒckkehr der Tochter weissagte, verwandelte Demeter ihren Liebhaber in eine Mohnblume.

Was tatsĂ€chlich nachgewiesen werden kann, ist, dass die Wortwurzel von „Mohn“ letztendlich auf Mekon zurĂŒckzufĂŒhren ist und somit die mundartliche Aussprache Mogn erklĂ€rt.

Auf allen Speisekarten sind Schmankerl aus Mohn zu finden. Aber nicht nur die Kulinarik ist vielfÀltig.

Je Ă€lter ich werde, desto „vielfĂ€ltiger“ wird auch meine Haut. Aber keine Sorge! Die Mohnöl-Hautcreme schafft Abhilfe. Ihre Bezeichnung ist ein toller Werbegag, das muss man den Waldviertlern schon lassen. „Mohn-Amour“ verspricht der strapazierten Haut so allerhand. Zieht rasch ein. Auf Hand und Fuß.

Im Waldviertel hat alles Hand und Fuß.

© Sonja M. Winkler 2020-08-03

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