von Franz Brunner
Es ist heiĂ, sehr heiĂ sogar. Was nicht verwunderlich ist, immerhin ist Ende August und die griechische Sonne grinst ungetrĂŒbt vom Himmel. Eine leichte Brise im Schatten eines Olivenbaums macht die Sache etwas ertrĂ€glicher. Und genau dort sitzt sie, auf einem hellblau lackierten Holzsessel, wie es sie auf den griechischen Inseln zuhauf gibt. EingehĂŒllt in eine Staubwolke, ungestĂŒm und unbeirrt noch mehr Staub produzierend. Mona, eine groĂ gewachsene, schlanke Salzburgerin in den besten Jahren. Nie auf den Mund gefallen und besessen von der Steinbearbeitung.
Von Obrigkeiten und AutoritĂ€ten hĂ€lt sie wenig, lĂ€sst diese oft ein HöchstmaĂ an Abneigung spĂŒren, wie es nur eine âg’standeneâ Frau zuwege bringt. Heute ist er wieder dran, der Meister der Specksteinkunst. Laszlo ist kein Ungar, er heiĂt nur des Datenschutzes wegen so und kommt aus einer ganz anderen Ecke des Planeten, was ihm leicht anzusehen ist. Er weiĂ, dass er kein hĂ€sslicher Mensch ist und er kann auch was, er ist wirklich ein KĂŒnstler. Diese Kombination verfĂŒhrt ihn hĂ€ufig, in weiĂen, wallenden GewĂ€ndern herumzuschweben, um vor allem die Damenwelt gebĂŒhrend zu beeindrucken. Er spricht langsam und bedĂ€chtig, Eile ist ihm völlig fremd, Freundlichkeit meist ebenso. Und die stets gut gelaunte Mona mag das gar nicht.
Er erwidert ihr fast schon provokant freundliches âGuten Morgen, Laszlo!â nur mit einem kurzen Brummen, das kaum Ăhnlichkeit mit einem GruĂ hat. Das hat sich nach Monas Ansicht weder der schöne Tag noch sie selbst verdient. Also fĂ€hrt sie fort: âLaszlo, hast du bitte kurz Zeit, ich brauche deinen Rat.â Das schmeichelt dem Meister, der Anflug eines LĂ€chelns hellt fĂŒr wenige Millisekunden die finstere Miene auf. Er schwebt zu Monas Staubwolke und vermittelt tatsĂ€chlich den Eindruck, fĂŒr sie da zu sein. Ein schier unglaublicher Moment, den Mona genieĂt und umgehend ihr Problem erlĂ€utert.
âIch habe mit dem Stein gesprochen und er hat mich wissen lassen, dass er ein Gesicht werden möchte. Allerdings ist dort, wo die Nase sein sollte, kein Material. Was soll ich machen?“ Laszlo, der mittlerweile wieder die finstere Miene aktiviert hat, zögert keine Sekunde mit seinem Ratschlag: âDu musst nochmal mit dem Stein reden, er soll sich was anderes ĂŒberlegen.â Spricht’s und schwebt zur nĂ€chsten Staubwolke, wo ihn bereits eine Bewunderin mit leichter lösbaren Problemen erwartet und den KĂŒnstler zu lĂ€ngerem Verweilen motiviert.
Mona gerĂ€t so gut wie nie aus der Fassung, auch jetzt nicht, als sie sich mit dem Stein des AnstoĂes zu einem neuerlichen GesprĂ€ch zurĂŒckzieht, allerdings nicht ohne eine RĂŒckmeldung an Laszlo abzugeben: âWahrscheinlich ist’s ohnehin sinnvoller, mit dem Stein zu reden als mit dir, du Grantler.â
Ja, die beiden lieben sich. Auf ihre Art. Jedes Jahr im August frischen sie 2 Wochen lang ihre verstaubte Liebe auf. Und Mona verlÀsst ihre Lieblingsinsel mit einem Sack bekloppter Steine und Erinnerungen an den (selbst)verliebten Laszlo.
© Franz Brunner 2022-01-19