Mondsüchtig?

Daniela Krammer

von Daniela Krammer

Story

Mein Gitarrist haut mir die Spritze Botox in meine Zornesfalte, die mir mein Zahnarzt unter der Hand um 40 Euro verkauft hat. Danach möchte ich ihm einen Kaffee machen, aber ich finde in meinem Küchenkastl nix mehr, weil mein Mann alles “sortiert“ hat und die frei gewordenen Plätze mit Fruchtsaft-Packerl vollgeräumt hat. Ich fluche herum, weil ich statt ordentlicher Kaffeetassen nur so seltsame Dinger im Schrank finde, die irgend ein Volksschüler auf Ritalin oder ähnlichen Drogen im Bastelkurs “Töpfern für Anfänger” gebastelt hat. Mein Gitarrist erklärt mir während dessen, dass der Ursprung des Kaffeetrinkens sowieso in spirituellen und medizinisch indizierten Ritualen ihren Anfang genommen haben. Ich höre nur mit halbem Ohr hin, weil dich immer mehr Orangen-, Apfel-, Lychee- und Traubensaftpackerl in allen Schränken finde.

Meine Pianistin kommt mit ihrer kleinen Tochter und baut sich in einem Teil der Wohnung ein Schlafzimmer für sich und die kleine, weil ihr ihr Vater und vor allem dessen Geliebte so am A… geht, dass sie jetzt hier wohnen wird. Die Kinderecke mit Spielzeug und Matratze mit Prinzessinnen-Baldachin schaut entzückend aus, aber die Geliebte des Vaters hat uns entdeckt und nervt uns mit guten Ratschlägen. Meine Pianistin baut meine Wohnung immer weiter um, die Fruchtsaftpackerl scheinen sich gut als Wände zu eignen. Der Geliebten ist das wurscht, sie redet immer weiter.

Nein, mein Zahnarzt hat mir noch nie Botox verkauft. Niemand, schon gar nicht mein Gitarrist, hat mir jemals sowas oder irgend was anderes ins Gesicht gespritzt. Vorträge halten tut er aber schon, wahrscheinlich würde er sogar zum Thema Kaffee UND zum Thema Botox abendfüllend erzählen können. Mein Mann macht gerne mal “Ordnung“, aber so absurd sortiert hat er noch nie. Normalerweise finde ich beim 2. Mal hinschauen alles, was ich brauche. Die Pianistin hat zwar einen Vater, einen netten sogar, aber der hat keine Geliebte und ich habe diese somit noch nie kennengelernt. Eine Tochter im Volksschulalter hat sie auch, ob die aber auf Prinzessinnen-Baldachin steht oder nicht, kann ich echt nicht sagen. Die einzigen Mengen an Fruchtsaftpackerl, die ich je außerhalb eines Verkaufsraums sehen konnte, war das Zimmer meines Sohnes, der, wie für heranwachsende junge Männer offenbar üblich, aufräumen für etwas hält, dass nur anderen zustößt.

Träumen kann ich. Gut sogar. Vielleicht mache ich da mal einen Roman daraus. So plastisch wie letzte Nacht habe ich allerdings lange nicht geträumt. War irgend ein Mond, besonders voll, besonders leer? Außergewöhnliche Anspannung im Sinne von: “Was wird es ab Morgen wieder für Beschränkungen geben?” Bis dahin muss mein Mann mir zuhören.

Er bekommt einen Lachkrampf und sagt zu mir, die ich überzeugte Vertikal-Instrumentalistin und eher patscherte Horizontal-Instrumentalistin bin: “Na schau, in meinem Traum hast du heute Nacht am Klavier Bartok gespielt. “



© Daniela Krammer 2020-10-19

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