Noch nie im Leben hatte ich die Gewalt des Ozeans so sehr gespĂĽrt wie in Monterrico, an der guatemaltekischen PazifikkĂĽste.
Christian und ich waren auf unserer zweiten Reise durch Mittelamerika dorthin gefahren; den Beschreibungen des Reiseführers folgend. Dunkler Lavasand, sagte dieser, bedeckt den endlosen Strand dieses Küstenabschnitts, der als gefährlich gilt, da knapp hinter dem Ufer der Meeresgrund eine, senkrechte, steile, sehr tiefe Stufe bildet. Es ertranken, an diesem Ort, mehrere Menschen im Meer…Ja, wir wollten dorthin, dennoch.
Mit dem Bus fuhren wir los, von Antigua; bei unserer Ankunft verschlug es uns den Atem: Die Pazifikwellen donnerten mit so lautem Getöse heran, dass man sich, bei einem Spaziergang am Strand kaum unterhalten konnte. Ein dichter Dunst von versprühter Meeresgischt erfüllte die Luft und unsere Lungen; trübte die Sicht am Strand. Trotzdem gab es einige Wagemutige, die sich in die Fluten geworfen hatten. Ich beobachtete sehr genau, welche Technik sie anwandten, um über die sich brechenden tonnenschweren Wellen zu gelangen. Herzklopfen hatte ich bei dem Gedanken, es ihnen gleichzutun. Und dennoch machten wir dies, im Zuge unseres Aufenthalts; ich für meinen Teil, nur einmal täglich, da dieses Bad tatsächlich all meine Kräfte und meine Konzentration abverlangte.
Was dann geschah, am vierten Tag unseres Aufenthalts, war eines unserer schicksalsschwersten Erlebnisse: Wir waren an diesem Tag um 5 Uhr morgens zu einer Tour durch die Mangrovensümpfe aufgebrochen. Ohne Frühstück. Stundenlang wurden wir in einem Boot durch diese Wälder gefahren; es war ein durchaus spektakulärer Ausflug. Anstrengend aber auch. Schließlich, nachdem wir die Tour beendet hatten, wollte ich sofort und ganz schnell etwas essen. Christian, ebenfalls sehr hungrig, suchte zuerst dringend eine Toilette. Danach begannen wir zu streiten – wegen irgendeiner Lappalie…
Christian sagte dann, kurz bevor wir unser Quartier erreichten: „Bestell du schon einmal zwei Frühstücke. Ich gehe noch schwimmen…, wenn ich nicht mehr komme, kannst du ja beide essen!“
Das ärgerte mich sehr! Und ich machte dies auch nicht; sondern legte mich in unserem Zimmer ins Bett und zog mein Delfintuch über mich. Und dann…und dann, plötzlich…begann mein Herz heftig zu schlagen. Und ich rührte mich keinen Millimeter unter dem Delfintuch. Und dann waren aufgeregte Stimmen zu hören. Und ich dachte: „Nein! Nein, bitte nicht!“
Doch! Christian saß dann, über und über mit Sand bedeckt auf einem Stuhl. Das rechte Bein ausgestreckt auf einem anderen. Männer hatten ihn am Strand gefunden, wo er mühevoll aus dem Wasser gerobbt war: Eine Pazifikwelle hatte ihm, klack! Seitenband und Kreuzband im Knie gekappt, er war gestürzt und…ja, den Rest hatte sein Schutzengel erledigt.
Wenn der nicht…oder die? Nicht auszudenken…
© Roswitha Springschitz 2021-01-23