von Brigitte_Nau
Im Zuge eines Sprachaufenthalts zur Verbesserung meiner Spanischkenntnisse verbrachte ich einen Monat in Barcelona. In den vier Wochen erkundete ich allerdings nicht nur die Stadt, sondern auch die Umgebung. Unter anderem nutzte ich das Bahnangebot für einen Ausflug nach Montserrat (Zug und Gondelbahn oder Zug und Cremallera (Zahnradbahn)). Der Zug – ich stieg in der zweiten Station zu – war bummvoll.
Man kann auf Montserrat in einer Herberge übernachten. Und wäre ich eine Stunde früher gefahren, hätte ich den Kinderchor erlebt. So sah ich mir lediglich die Kirche an. Es gibt dort eine lange Warteschlange: Menschen, die die Schwarze Madonna abbusserln und um etwas bitten. Man braucht Geduld, schlängelt sich ins obere Geschoß und wird so zur Schwarzen Madonna geleitet. Von dort geht es einen anderen Weg hinaus, vorbei an Heiligengrotten, in denen man Bittkerzen entzünden kann.
Wieder aus der Kirche kaufe ich mir auf dem Markt getrocknete Feigen und Marillen. Genau das Richtige für eine Bergwanderung. Ich habe keinen Plan, aber große Lust herumzumarschieren. Also gehe ich einfach los. Herrliches Wetter, herrliche Aussicht.
Montserrat wird nicht nur von Touristen besucht. Auch viele Einheimische verbringen ihre Freizeit dort. Sie wandern oder sie klettern. Man kann eine tolle Rundwanderung machen. Die Wegkennzeichnung ist nicht gerade ausgereift, doch mit ein bisschen Orientierungssinn und Wagemut geht es. Manchmal hatte ich Zweifel am eingeschlagenen Weg. Doch dann begegnen einem Menschen, die freundlich „Hola“ grüßen.
Und ich begegnete einer jungen Frau aus dem angloamerikanischen Raum. Sie hatte keinen Orientierungssinn, war total fertig. Immerzu schrie sie, dass sie sich verlaufen hätten, dass sie am Berg übernachten müssten, dass sie nie wieder nach Hause kämen. Selbst als ihr Begleiter nach dem Weg fragte – es waren einige Leute auf dem Weg, die bestätigten, dass es hier zur Gondelbahn geht -, glaubte sie kein Wort und heulte und schrie weiter. In ihrer Hysterie ließ sie sich von niemanden mehr etwas sagen.
Sie tat mir leid. Offenbar war sie ein Großstadtkind, das sich nur in Kaufhäusern zurechtfindet.
Und ich marschierte weiter, zuversichtlich, dass ich wieder bei der Cremallera landen würde. Hoffentlich bevor die letzte fährt …
Schließlich ging es bergab. Vor mir dann plötzlich eine Gruppe Frauen, die munter miteinander plauderten. Ein richtiger Ganselstall. Und EIN Mann. Sehr freundliche, fröhliche Menschen, die sich einen schönen Tag machten. Gerne machten sie Platz, damit ich sie überholen konnte. Als ich an dem Mann vorbei ging, lächelte ich:“Pobrecito.“ Er lachte, meinte, dass es gar nicht so schlimm sei.
Ich hab dann den vorletzten Zug erwischt. Sicher ist auch die hysterische Frau noch am selben Tag in ihre Unterkunft gekommen Ob sie wohl je wieder auf einen Berg fahren wird?
© Brigitte_Nau 2020-04-08