von Olaf Maly
Je weiter wir in den Park fuhren, so weniger Leute sahen wir. Als wir an seiner Hütte ankamen, waren weit und breit keine Touristen mehr zu sehen. Vereinzelt saßen Gruppen von Navajos zusammen und rauchten. Unterhielten sich. Lachten laut. Kinder spielten im Sand. Eine Frau machte ihre Hütte mit einem Reisigbesen sauber. Wir durften einen Blick hineinwerfen. Es gab nur wenig Einrichtung. Nur ein Lager zum Schlafen. Ein paar Töpfe, eine kleine Kiste, ein alter Stuhl. Neben dem Bett eine Öllampe. In der Mitte die Feuerstelle.
Etwas abseits gab es einen kleinen, offenen Stall, mit einem Zaun drum herum. An Pflöcken waren Pferde angebunden. Sie standen zusammen unter einem kleinen Dach. Es war heiß. Die Sonne brannte erbarmungslos vom blauen Himmel. Alles war unheimlich ruhig. Nur der Wind blies und ließ die wenigen Blätter an den ausgetrockneten Bäumen leicht vibrieren. Vögel zwitscherten ab und zu. Große Geckos rannten über den roten Sand.
Mitten im Reservat gab es einen kleinen See. Im Schatten von kleinen, ausgewaschenen Bergresten, lag eine Wasserstelle. Pferde standen darum herum. Es war schattig und kühl an dieser Stelle. Blaues, klares Wasser, wie man es nicht alle Tage zu sehen bekommt. Man konnte den Grund sehen und die kleinen Fische, die darin schwammen. Wir sollten etwas trinken davon, sagte er uns. Versuchen, wie sein Wasser schmeckt. Es wäre die einzige Wasserstelle für Meilen.
Später saßen wir vor einem der roten Felsen und er erzählte er uns von seinem Volk. Seine Geschichte, und warum er sich weigert, in einem Ort zu wohnen. Er kann nur in seinem Tal zu Hause sein, in seiner Hütte, wo er geboren wurde und auch sterben wird. In seiner leisen, erzählerischen Art, hätte er von uns aus stundelang reden können. Und wir konnten Fragen stellen, die er uns freudig beantwortete. Er zeigte uns Formationen um uns herum, die seinem Volk etwas bedeuten. Bis heute. Heilige Stätten, wo er uns nicht hinführen dürfe. Er bedauerte das. Es tat ihm leid, dass er uns das nicht zeigen durfte. Das würde nichts machen, versichertem wir ihm. Wo wir sind, und was er zeigen konnte, war mehr als wir erhofft hatten. Es war wie in einem Traum, den ich nicht aufhören wollte zu träumen. Ich sagte ihm das. Er lächelte. Vielleicht tat es ihm gut, dass sich Leute für sein Volk interessierten.
Dann, auf einmal, zog er eine Flöte aus der Tasche und spielte traurige Lieder. Er hatte zu jedem Lied eine kleine Geschichte. Warum und wann man diese Melodie spielen würde. Vielleicht waren sie nicht traurig, aber es klang so. Sie gingen uns nahe, und wir werden die Melancholie, die sie begleiteten, nie vergessen. Irgendwann musste es zu Ende gehen. Es war ein wunderschöner Nachmittag, der erst endete, als bereits die Sonne unterging. Und den wir nie vergessen werden.
© Olaf Maly 2021-05-26