von SusiBock
Vor morgen fürchte ich mich und gleichzeitig freue ich mich. Du bist heuer im März aus unserem Leben gegangen, aber in unseren Herzen geblieben. Corona war nicht verantwortlich für deinen Tod, aber verantwortlich, dass wir dich in deiner letzten Zeit nicht begleiten durften, wie wir es tun wollten, dass wir dich nicht gebührend verabschieden konnten. Du warst nicht gefangen im Lock-Down wie wir, aber gefangen in deiner eigenen Welt – deine Demenz war in dieser Zeit auch irgendwie ein Segen, wir waren verzweifelter als du. Und du hast du es schnell hinter dich gebracht, Geist und Seele auf Reisen geschickt, warst nach drei Wochen erlöst. Wir durften dich erst im Spital besuchen, als du schon am Weg ins nächste Leben warst, wir haben uns verabschiedet, dich gedrückt, geküsst und dir alles Gute gewünscht – lass alle schön grüßen, wir sehen uns wieder. Und wir haben geweint, es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir lachen und an dich denken können, ohne dabei zu weinen. Aber das ist vielleicht auch gut so, wo Schmerz ist, ist auch Linderung.
Vor morgen fürchte ich mich und gleichzeitig freue ich mich. Morgen wärest du 80 Jahre alt geworden und ich weiß nicht warum, aber es war dir wichtig, den 80er zu erleben, oder zumindest den Onkel Herbert zu überholen. Letzteres hast du um ein paar Monate geschafft, deinen runden Geburtstag nicht mehr. Dabei haben wir noch bis drei Wochen vor deinem Tod unsere Touren im Prater gemacht, du warst körperlich fit, bist in deinen letzten Gartensommern hunderte Kilometer im Pool geschwommen und tausende Kilometer mit dem Rad gefahren, zuletzt nur noch am Heimtrainer, nachdem wir nicht mehr sicher sein konnten, dass du sicher nach Hause findest.
Vor morgen fürchte ich mich und gleichzeitig freue ich mich. Mama und ich gewöhnen uns schön langsam an ein Leben ohne dich, wir lernen, das Unfassbare, aber Unvermeidbare zu akzeptieren. Wir wissen, du würdest nicht wollen, dass wir am Leben – oder am Tod – verzweifeln. Wir wissen, du hattest ein schönes, langes Leben. Wir wissen, du warst zufrieden, immer positiv, ein Menschenfreund und wir tragen deine Liebe in unseren Herzen.
Vor morgen fürchte ich mich und gleichzeitig freue ich mich. Nachdem uns Corona im März die große feierliche Verabschiedung verdorben hat, haben wir beschlossen, an deinem 80. Geburtstag zu trauern, aber auch zu feiern. Wie du es dir gewünscht hättest. Morgen ist dein großer Tag und wir alle werden da sein, bewaffnet mit Desinfektionsspray, Mund-Nasen-Schutz und vielen Baby-Elefanten. Wir werden Abstand halten, zueinander, aber wir werden dir ganz nah sein, wenn wir dich auf deinem letzten Weg in die kühle Erde begleiten. Und wir werden mit einem kühlen Blonden auf dich anstoßen und dich hochleben lassen. Wir werden uns Geschichten erzählen und in Erinnerungen schwelgen. Wir werden Freude, Trauer, Dankbarkeit, Schmerz und Liebe spüren. Und wir werden letztendlich wissen, dass es dir gut geht. Papa, ich hab dich lieb!
© SusiBock 2020-09-14