Morgengesänge

Laura Goma

von Laura Goma

Story
Bali, Indonesien 2022

4:40 Uhr. Der Weckruf der Moschee holt mich aus tiefstem Schlaf. In Deutschland würde ich empört in mein Kissen boxen, hier schäle ich mich voller Vorfreude aus den Laken. Das Morgengrauen kündigt sich mit einem Schimmer am Horizont an. Ich schleiche mit meinem Surfboard unterm Arm die Treppe runter und treffe Agus auf einen würzigen Bali Kopi in Stille, bevor wir barfuß die paar Meter zum Strand tapsen. Ein paar bekannte Gesichter fegen schon geschäftig Eingänge und Straßen, vor einigen Türen werden Opfergaben bereitgestellt. Tropisches Vogelgezwitscher begleitet uns. Ich liebe den Moment, wenn der Blick auf diese lange, fette, perfekte Welle frei wird. Ein paar Jungs sitzen auf ihren Rollern und beobachten die Wellen. Wir waten ins Wasser und vorsichtig durch die scharfen Steine, die heimtückisch unter der Wasseroberfläche lauern. Dann sind wir drin und es gibt kein Halten mehr.


Erschöpft und glücklich lasse ich mich von der letzten Welle bis in die Bucht vor die bunten Fischerboote treiben, wo Agus schon wartet. Mit den Brettern unterm Arm begutachten wir die fangfrischen Köstlichkeiten in den Booten. Ich überlasse dem Fachmann die Auswahl und werde Zeuge der härtesten und gleichzeitig liebevollsten Verhandlung mit einer alten Fischerfrau. Wie eine Trophäe tragen wir das Bündel dicker Fische zurück zur Unterkunft, wo die Jungs auch gleich ein Feuer am Straßenrand errichten. Auf einem Bananenblatt platzieren wir Reis, gegrillten Fisch und eine fantastische, selbstgemachte scharfe Soße. Wir waschen uns die Hände, schieben uns begeistert schmatzend mit der Hand das Festmahl in den Mund und heulen aufgrund der Schärfe auch ein bisschen dabei.

Ich verbringe die brütende Tageshitze mit Arbeit in der Hängematte und genieße meinen Ausblick auf grüne Palmendächer und blau glitzerndes Meer. Gegen Abend checke ich die Wellen erneut, entscheide mich stattdessen für ein Bintang an der Bar und verfolge die Abendstimmung. Alle versammeln sich in Wassernähe und warten auf den Sonnenuntergang. Fischerboote fahren der tief stehenden Sonne entgegen, eine Silhouette dümpelt auf einem Brett im Wasser und fängt mit einer simplen Schnur Fische, am Strand machen Jugendliche ein Feuer. Männer sitzen rauchend zusammen und besprechen das Tagesgeschehen, Familien sammeln Muscheln von den durch Ebbe freigelegten Steinen. Die Moschee ruft zum letzten Gebet des Tages. Die Wellen rollen sanft herein und bringen die letzten Surfer nacheinander ans Ufer.

Ich liebe das ruhige und beschauliche Leben hier. Bekannte Gesichter, freundliches Grüßen. Nur wenn sich besonders gute Wellen ankündigen, kommen eine Menge dicker Surf-Jeeps und Roller aus dem hektischen Süden rund um Canggu und Umgebung hierher. Nach ein paar Tagen ist der Trubel meist vorbei.

Die Sonne verschwindet, Stimmen werden gedämpfter, Roller knattern zum Abendessen nachhause. So früh wie der Tag hier beginnt, so früh endet er auch. Auch ich falle bald erschöpft ins Bett und in freudiger Erwartung auf den nächsten Morgengesang in tiefen, gesunden Schlaf.

© Laura Goma 2024-06-28

Genres
Reise
Stimmung
Adventurous, Emotional, Reflective, Relaxing
Hashtags