Es ist Sonntagmorgen. Ich genieße mein Frühstück auf der Terrasse, was ich gefühlte Ewigkeiten schon nicht mehr gemacht habe. Das ist nicht nur dem kühlen Frühlingswetter der vergangenen Wochen geschuldet, sondern auch dem Umstand, dass es mehr Mühe macht, den Frühstückstisch auf der Terrasse zu decken.
Milde Frühlingsluft umfängt meinen noch schläfrigen Körper. Ich greife nach der Tasse Kaffee und halte inne: Ist das nicht Kirchenmusik, die an meine Ohren dringt? Vom Nebenhaus? Mein Mann nickt. Die Nachbarin hat den Fernseher an. Bis zur Kirche tragen sie ihre kranken Beine nicht mehr. Nun ist sie live bei der Messfeier dabei, mein Mann und ich als Randgäste ebenso. Von der rechten Nachbarschaft mischt sich Babygeschrei ein. Das muss der Junge sein, der vor ein paar Wochen zur Welt gekommen ist. Gesehen haben wir den neuen Nachbarn noch nicht, aber seit heute Morgen kenne ich seine kräftige Stimme. Mit ihr nimmt es nun die Krähe auf. Mit lauten Krah-krah nimmt sie an der Vogeltränke Platz und füllt gemächlich ihren Schnabel mit Wasser. Ich nehme wieder einen Schluck Kaffee und einen Löffel Müsli und lehne meinen Kopf gemütlich an die Sessellehne. Viel zu schnell ist der kühle Frühling dem vorauseilenden Frühsommer gewichen. Ich fühle mich überrumpelt von den sommerlichen Temperaturen.
Plötzlich verstummen die menschlichen Geräusche. Der Rabenvogel erhebt sich über die Dächer und verschwindet hinter den Fichten. Eine heilige Ruhe stellt sich ein. Ich verstreiche selbst gemachte Dirndlmarmelade auf der in der Sonne weich geschmolzenen Margarine und beiße genüsslich in mein Frühstücksbrot. Da! Ich habe es ganz genau gehört! „Der Pirol ist wieder da!“, rufe ich begeistert. Der Abholdienst für alle schaut wieder kurz vorbei. „Di hol i olle o, olle o!“, flötet er fortwährend über die hohen Wipfel der Alteichen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das Fernglas liegt immer auf meinem Esstisch. Heute auf der Terrasse vermisse ich es. Umso mehr genieße ich seinen Gesang. Der hübsche, gelbe Vogel singt meist früher am Morgen. Heute ist er später dran, was mein Frühstück enorm bereichert. Schließlich stehe ich doch auf, um meinen Fotoapparat zu holen. Da beschließt der Sänger das Weite zu suchen.
Den ersten Erdbeeren aus dem Marchfeld fehlen noch ein wenig Süße und Aroma. Mit einem Löffel Dattelsirup helfe ich nach. Mit diesem Trostpflaster lässt sich auch das Brummen des Flugzeuges über uns besser ertragen. Kurz vor dem Anflug auf den Vienna International Airport, kurz Wien Schwechat genannt, fliegen die Luftvögel schon sehr tief und dröhnend über unsere Köpfe hinweg.
Ich lenke meinen Blick wieder vom Himmel auf die Gänseblümchenwiese im Garten. „Heuer wird nur zweimal gemäht“, wiederhole ich meine wiederholte Bitte. „Der süße Nektar in den Blüten gehört den Bienen und Schmetterlingen und nicht dem Kompost“, bekräftige ich meinen Entschluss, zum Leidwesen meines Mannes, der sich schon mit der Sense durch den Garten laufen sieht. Ich aber beiße zufrieden in meine (nach)gesüßten Erdbeeren und erkläre mich solidarisch mit den Bienen. Was für ein herrlicher Sonntagmorgen!
(Foto: Gänseblümchen, Garten in Deutsch-Wagram, Mai 2023)
© Gabriele_Krele-Art 2023-05-25