Es ist kurz vor neun abends, ich sitze in Freiburg am Bahnhof und warte auf meinen Zug nach Berlin. Ich bin aufgeregt, denn ich habe zweieinhalb Wochen Urlaub in Norwegen vor mir. Mein Ziel ist die Insel Tautra mitten im Trondheimfjord. Außerdem werde ich mit dem Hurtigruten Schiff von Bergen nach Trondheim fahren – ein Geschenk meiner Eltern zu Weihnachten.
Meine Anfahrt ist lange: erst mit dem Zug nach Berlin, dann mit dem Flugzeug nach Bergen. Weiter geht es mit dem Schiff bis nach Trondheim und dann mit Zug und Taxi bis zur Insel Tautra. Die Anreise verläuft überwiegend positiv. Nur in Bergen stehe ich leider plötzlich ohne Koffer da. Der Herr am Flughafen Gepäckservice erzählt mir, dass das jeden Tag passiert und nimmt meine Daten auf. Ich beschließe also, ohne Koffer auf das Postschiff zu gehen und hoffe dabei, dass es nicht zu lange dauert, bis ich meinen Koffer wiedersehe.
Das Schiff Midnatsol von Hurtigruten
Die Zeit auf dem Schiff (insgesamt zwei Nächte) mit dem Namen „Midnatsol“ (Mitternachtssonne) genieße ich sehr, auch wenn um mich herum das Durchschnittsalter der Passagiere etwa 60 ist. Der frische Wind auf offenem Deck und die unendliche Weite des Meeres fesseln mich. Insgesamt machen wir neunmal Halt auf dem Weg von Bergen nach Trondheim. Hurtigruten – die bekannte Kreuzfahrtgesellschaft feiert 2018 ihren 125ten Geburtstag. Sie wird 2021 ihr Post-Schiff-Monopol verlieren, denn die Regierung hat entschieden eine weitere Lizenz an eine andere Reederei zu vergeben.
Erste Tage auf Tautra
Nachdem ich am Flughafen in Trondheim meinen Koffer wieder bekommen habe, begebe ich mich auf den Weg zur Insel Tautra. Das Besondere an dieser Insel ist, dass dort ein katholisches Frauenkloster des Zisterzienser-Ordens beheimatet ist. Man kann dort einen Freiwilligendienst absolvieren und bekommt dafür Kost und Logis umsonst. Oder man macht ein kostenpflichtiges „Retreat“ und braucht dann nicht mitzuarbeiten.
Klosterlivet – Klosterleben
Der Zeitplan der Schwestern ist voll: Siebenmal am Tag gibt es Gebetseinheiten. Die erste beginnt um 4.20 Uhr in der Frühe, die letzte endet um 19.30 Uhr. Dazwischen wird gemäß der benediktinischen Regel „ora et labora“ gearbeitet. Die Zisterzienser sind ein handwerklich arbeitender Orden. Im Gegensatz zu den Benediktinern, die oft Lehrende oder wissenschaftliche Arbeiten innehaben. Als Freiwillige kann ich an den Gebeten teilnehmen, muss das aber nicht. Wie die Schwestern arbeiten Freiwillige vierinhalb Stunden pro Tag in der Seifen Manufaktur, im Garten, in der Küche oder im Klosterladen.
Epilog
Es ist jetzt zwei Wochen her, dass ich in Norwegen war, und schon hat mich mein Alltag wieder eingeholt. Meine To-do-Listen sind lang und ich wünsche mir manchmal die Ruhe zurück, die auf Tautra geherrscht hat. Vielleicht kann ich dies als eine kleine Lehre aus Norwegen mitnehmen: Nämlich mir feste Zeitpunkte in meinem Alltag einzuräumen für Mußestunden.
© Angela Woyciechowski 2021-01-18